Vertragliche Ansprüche sind beizutreiben …

Soll eine Forderung beigetrieben werden, ist zu fragen, welche Anspruchsgrundlage die Forderung begründet. In der Vielzahl der Fälle wird es sich um vertragliche Ansprüche handeln, etwa aus Kauf-, Miet-, Werk- oder Dienstleistungsverträgen. In großem Umfang sind dabei Telekommunikations-, Versandhandels-, Energieversorgungs- und Versicherungsvertragsfor­derungen anzutreffen.

… die zugleich aber auch aus unerlaubter Handlung begründet sein können

Das schließt aber nicht aus, dass der Anspruch zugleich (auch) aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung nach §§ 823, 826 BGB zu begründen ist.

 

Beispiel

Der Schuldner erwirbt einen Fernseher auf Rechnung, die er dann aber nicht ausgleicht. Aus dem Kaufvertrag steht dem Verkäufer eine Forderung von 499 EUR als vertraglicher Anspruch aus § 433 BGB zu. Es stellt sich heraus, dass der Schuldner zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses über ein Nettoeinkommen von lediglich 1.100 EUR verfügte, davon noch einem Kind Unterhalt von 200 EUR zu gewähren hat und fast 500 EUR Miete monatlich zahlen muss. Auch hatte er bereits 15.000 EUR Schuldner und vor drei Monaten die Vermögensauskunft abgegeben.

Der Schuldner hat sich hier eines Eingehungsbetruges nach § 263 StGB schuldig gemacht, da er den Verkäufer über seine Leistungsfähigkeit getäuscht hat und dieser aufgrund des Irrtums den Fernseher herausgegeben hat, ohne seinen Vergütungsanspruch realisieren zu können. Das war dem Schuldner auch bewusst, weil er aufgrund des Schuldenstandes und der abgegebenen Vermögensauskunft wusste, dass er zur Erfüllung der Forderung nicht in der Lage sein würde.

Vorteile des weiteren Anspruchs nutzen

Kann in dieser Weise begründet werden, dass die Forderung (auch) aus vorsätzlich unerlaubter Handlung stammt, hat dies Vorteile in der Zwangsvollstreckung wie in der Insolvenz.

Nach § 850f Abs. 2 ZPO gelten in der Zwangsvollstreckung dann nämlich die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO nicht. Vielmehr ist dem Schuldner nur soviel zu belassen, wie er zu seinem notwendigen Lebensunterhalt, Hartz IV, und zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten benötigt.
Wird die Forderung auch als Deliktsforderung in der Insolvenz des Schuldners angemeldet, führt sie nach § 302 InsO dazu, dass sie nicht an der Restschuldbefreiung teilnimmt.

Aber: besondere Nachweisform

Die Vorteile können aber nur genutzt werden, wenn die deliktische Natur des beizutreibenden Anspruches gegenüber dem Vollstreckungs- bzw. Insolvenzgericht oder Treuhänder auch nachgewiesen wird. Die genannten Stellen prüfen den Anspruch also nicht selbst. Als Nachweis dient selbstverständlich ein entsprechendes Feststellungsurteil, das zu erlangen für den Gläubiger aber mit besonderen Mühen verbunden ist.

Checkliste: Der BGH zur deliktischen Forderung

 

Checkliste: Der BGH zur deliktischen Forderung

Der BGH hat sich zum Nachweis schon mehrfach zu Wort gemeldet:

Ist in dem zu vollstreckenden Titel keine oder nur eine vertragliche Anspruchsgrundlage genannt, kann der Gläubiger im Vollstreckungsverfahren ohne Zustimmung des Schuldners nicht mehr nachweisen, dass der titulierte Anspruch auch auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht. Eine Herabsetzung des pfändbaren Betrages gemäß § 850f Abs. 2 ZPO scheidet deswegen aus, weil das Vollstreckungsgericht den Titeln nicht hat entnehmen können, dass die Zwangsvollstreckung (auch) wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betrieben wird. Eine weitergehende Prüfungskompetenz steht dem Vollstreckungsgericht nicht zu (BGH NJW 2003, 515).
Wenn der Gläubiger erst aufgrund von Erkenntnissen, die ihm nach Erwirken des Titels zuwachsen, zur erfolgreichen Geltendmachung eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung in der Lage ist, kann das Vollstreckungsgericht dem Antrag auf eine privilegierte Pfändung gemäß § 850f Abs. 2 ZPO nur stattgeben, wenn der Schuldner zustimmt. Fehlt es an dieser Zustimmung, muss der Gläubiger Feststellungsklage erheben, um dem Schuldner, der bisher keinen Anlass hatte, sich gegen den Vorwurf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung zu wehren, eine sachgerechte Verteidigung vor dem Prozessgericht zu ermöglichen (BGH ZVI 2002, 422).
Durch die Vorlage eines Vollstreckungsbescheids kann der Nachweis einer Forderung aus vorsätzlich begangener un­erlaubter Handlung für das Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO durch den Gläubiger nicht geführt werden (BGH NJW 2005, 1663).
Hat der Schuldner mit einem gerichtlichen Vergleich auch den Rechtsgrund der dadurch titulierten Forderung als vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung außer Streit gestellt, so steht für den Feststellungsprozess bindend fest, dass die Forderung auf einer entsprechenden Handlung beruht (BGH MDR 2009, 1299).

Anerkenntnis in einer privatrechtlichen Urkunde …

Kann der Schuldner im Nachweisverfahren den deliktischen Rechtsgrund anerkennen, stellt sich natürlich die Frage, ob er das nicht auch in einer privatrechtlichen Vere...

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