Leitsatz
Eine Nachzahlung von Arbeitslohn ist pfändungsrechtlich auf die Monate zu verteilen, für die die Nachzahlung erfolgt.
AG Neuburg a.d. Donau, 27.10.2015 – 1 M 1614/14
1 I. Der Fall
Freistellung einer Gehaltsnachzahlung
Der Gläubiger pfändete das Arbeitseinkommen der Schuldnerin bei der Drittschuldnerin. Im Juli 2015 erhielt die Schuldnerin eine Nachzahlung von 800 EUR, die in Höhe von jeweils 200 EUR den Monaten April bis Juli 2015 zuzuordnen war. Die Schuldnerin begehrt die völlige Freistellung der Gutschrift. Das AG hat zunächst am 10.8.2015 in dieser Weise im Wege der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung entschieden. Nunmehr war in der Hauptsache zu entscheiden.
2 II. Die Entscheidung
AG korrigiert Ausgangsentscheidung
Der Beschluss vom 10.8.2015 wird dahingehend abgeändert, dass die Nachzahlung von 800 EUR gemäß dem Entstehungsprinzip zu behandeln ist. Somit ergibt sich für April bis Juli ein Nettoeinkommen von jeweils 2.021,08 EUR. Hierauf ist der pfandfreie Freibetrag nach § 850c ZPO anzuwenden. Für April bis Juli sind 156,58 EUR der Nachzahlung pfändbar.
Es gilt das Entstehungsprinzip
Der Beschluss vom 10.8.2015 ging irrigerweise davon aus, dass bei Zuordnung von Beträgen in Höhe von jeweils 200 EUR zu den Monaten April bis Juli kein pfändbares Arbeitseinkommen entsteht. Eine Nachzahlung ist nach dem Entstehungsprinzip zu behandeln, also ist jedem Monat sein konkreter Anteil einer Nachzahlung zuzurechnen. Nach dieser Rechnung entsteht ein pfändbarer Betrag.
3 Der Praxistipp
Neuberechnung
Die Auffassung des AG ist grundsätzlich sachgerecht. Wäre der Arbeitslohn gleich in der richtigen Höhe gezahlt worden, wäre der pfändbare Betrag in Anwendung von § 850c ZPO unmittelbar zu bestimmen gewesen. Die Nachzahlung rückständiger Lohnbeträge führt nun dazu, dass diese dem Lohnzahlungszeitraum hinzuzuschlagen sind, zu dem sie gehören (so auch Stöber, in Zöller: ZPO, 31. Aufl. 2016, § 850c Rn 3). Es ist also eine Neu- bzw. Nachberechnung erforderlich. Hieraus kann sich auch für die Vergangenheit ein pfändbarer Betrag für den Gläubiger ergeben.
Gläubiger muss differenzieren
Beachtet werden muss, dass Nachzahlungsbeträge, die einen Zeitraum erfassen, der vor der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner liegt, von der Pfändung nicht erfasst werden und deshalb dem Schuldner pfandfrei belassen werden müssen. Umgekehrt sind aber auch Vorschüsse auf das Arbeitseinkommen, die einen künftigen Lohnzahlungszeitraum nach der Pfändung betreffen, bei der Bestimmung des Nettoeinkommens und damit des pfändbaren Betrages nach § 850c ZPO zu berücksichtigen.
FoVo 1/2016, S. 18 - 19