Leitsatz
1. Das Vollstreckungsersuchen einer Landesrundfunkanstalt kann auch dann den gesetzlichen Anforderungen für die Vollstreckung von Rundfunkgebührenbescheiden genügen, wenn die im Ersuchen mit ihrem Namen aufgeführte Landesrundfunkanstalt nicht ausdrücklich als Gläubigerin der Forderung angeführt ist und zudem die Angabe ihrer Anschrift, ihrer Rechtsform und ihrer Vertretungsverhältnisse fehlt.
2. § 15a Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 LVwVG BW gebietet lediglich die Mitteilung, dass der der Vollstreckung zugrunde liegende Verwaltungsakt vollstreckbar ist. Eine Darlegung, ob sich die Vollstreckbarkeit aus der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes oder dem Entfallen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs ergibt, ist nicht erforderlich.
3. Die Kosten eines Rechtsbehelfsverfahrens in einer Zwangsvollstreckungssache, in dem der Gläubiger obsiegt, können dem Schuldner in Ausnahme zu § 91 Abs. 1 ZPO dann nicht auferlegt werden, wenn er keine Kenntnis von dem Verfahren und daher auch keine Gelegenheit sich zu äußern hatte.
BGH, 8.10.2015 – VII ZB 11/15
1 I. Der Fall
Automatisiertes Vollstreckungsersuchen ohne förmlichen Titel
Die Gläubigerin, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Rundfunkgebühren und -beiträge in Höhe von 165,82 EUR. Sie hat ein automatisiert erstelltes "Vollstreckungsersuchen" zur gütlichen Einigung und Abnahme der Vermögensauskunft an den Gerichtsvollzieher (GV) gerichtet, in dem es heißt: "Wir bitten Sie, wegen rückständiger Rundfunkgebühren/-beiträge die nachfolgend beantragten Vollstreckungsmaßnahmen gegen oben genannten Beitragsschuldner durchzuführen. Diese Ausfertigung ist vollstreckbar." Das Ersuchen endet mit dem Hinweis: "Dieses Vollstreckungsersuchen ist von einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage gefertigt und ohne Unterschrift und Dienstsiegel wirksam."
GV lehnt Vollstreckung ab
Der GV hat die Vollstreckung wegen eines fehlenden Titels abgelehnt. Weder die Bezeichnung der Vollstreckungsbehörde noch des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes unter Angabe der erlassenden Behörde, des Datums und des Aktenzeichens ließen sich dem Ersuchen mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen. Erinnerung und Beschwerde sind erfolglos geblieben. Der BGH hatte über die zugelassene Rechtsbeschwerde zu entscheiden.
2 II. Die Entscheidung/Der Praxistipp
Hohe Fallzahlen – Große praktische Bedeutung
Die Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Forderungen ist für den Rechtsdienstleister auf Seiten der Gläubiger nur selten. Die öffentliche Hand vollstreckt ihre Forderungen – wie die großen Außenstände zeigen – mehr schlecht als recht, was nicht ausschließt, dass im Einzelfall sehr gute Ergebnisse erzielt werden. Allerdings müssen sich der Rechtsanwalt auf Seiten des Schuldners ebenso wie Schuldnerberatungen durchaus mit diesen Vollstreckungen auseinandersetzen. Gerade die Rundfunkgebühren erreichen dabei aufgrund der Haushaltsbezogenheit eine große Fallzahl, die mit anderen Massenverfahren betreffend Telekommunikations-, Versorgungs- sowie Versicherungsforderungen durchaus vergleichbar sind.
Rundfunkanstalten können nach der ZPO vollstrecken
Ausgangspunkt der Entscheidung war, dass rückständige Rundfunkbeiträge durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt und die Festsetzungsbescheide im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt werden. Im konkreten Fall ging es um den Südwestfunk. Bei anderen Rundfunkanstalten verhält sich dies aber nicht anders. Über die Landesvollstreckungsgesetze kann es dann auch zur Vollstreckung nach den Bestimmungen des 8. Buches der ZPO kommen. (hier: § 10 Abs. 6 RBStV i.V.m. §§ 13, 16 LVwVG BW). Gegen Entscheidungen des GV und des AG kann die Vollstreckungsbehörde gemäß § 16 Abs. 4 LVwVG BW die nach den Vorschriften des 8. Buches der ZPO zulässigen Rechtsbehelfe einlegen.
BGH: Ein Vollstreckungsersuchen reicht
Für die Beitreibung durch den Gerichtsvollzieher auf Ersuchen der Vollstreckungsbehörde finden die Vorschriften des 8. Buches der ZPO mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle der vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels das schriftliche Vollstreckungsersuchen der Vollstreckungsbehörde tritt und es keiner Zustellung des Vollstreckungsersuchens bedarf (§ 15a Abs. 3 Satz 2 LVwVG BW). Das Vollstreckungsersuchen muss dabei den besonderen Anforderungen des § 15a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 bis 6 LVwVG BW entsprechen, d.h. u.a. die Bezeichnung der Vollstreckungsbehörde, die Bezeichnung des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes unter Angabe der erlassenden Behörde, des Datums und des Aktenzeichens enthalten. Diese Anforderungen sieht der BGH im konkreten Fall als erfüllt an und knüpft insoweit an eine Entscheidung aus dem Juni 2015 an (BGH v. 11.6.2015 – I ZB 64/14, DGVZ 2015, 191).
Nur der GV muss Vollstreckungsbehörde erkennen können
Die in § 15a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 LVwVG BW für notwendig erachtete Bezeichnung der Vollstreckungsbehörde dient ersichtlich dazu, den GV in die Lage zu versetzen, das konkrete Vollstreckungsersuchen einer bestimmten Vollstreckungsbehörde – gemä...