Leitsatz

1. Mit der Erinnerung nach § 766 ZPO kann der Schuldner nur Verstöße gegen das Vollstreckungsrecht geltend machen, durch die er selbst beschwert ist; daran fehlt es, wenn der Schuldner seine Beeinträchtigung ausschließlich aus der Verletzung eines Rechts eines Dritten ableitet.

2. Der Vermieter kann im Fall einer gegen den Mieter gerichteten Herausgabevollstreckung eines Dritten ein Vermieterpfandrecht an der Sache, die Gegenstand der Herausgabevollstreckung ist, nicht mit dem Rechtsbehelf der Erinnerung nach § 766 ZPO geltend machen.

BGH, 13.8.2009 – I ZB 91/08

1 I. Der Fall

Herausgabe eines ­Leasinggegenstandes

Die Gläubigerin, eine Leasinggesellschaft, schloss mit der Leasingnehmerin einen Leasingvertrag über eine Folienkaschiermaschine. Diese übertrug den Besitz an der Maschine auf die Schuldnerin, die die Maschine in die von dem weiteren Beteiligten gemieteten Räume verbrachte. Die Gläubigerin erwirkte gegen die Schuldnerin eine einstweilige Verfügung, durch die der Schuldnerin aufgegeben wurde, die Maschine an den GV zur Sicherstellung und Verwahrung herauszugeben.

Einwendung: Vermieterpfandrecht

Die Schuldnerin und ihr Vermieter haben Erinnerung gegen die Ankündigung des von der Gläubigerin beauftragten GV, den Herausgabetitel zu vollstrecken, eingelegt. Zur Begründung haben sie sich auf ein Vermieterpfandrecht an der Maschine berufen. Sie haben geltend gemacht, der GV müsse das Vermieterpfandrecht im Vollstreckungsverfahren berücksichtigen. AG und LG haben die Erinnerungen zurückgewiesen.

2 II. Die Entscheidung

Erinnerung der Schuldnerin ist unzulässig

Der Schuldnerin fehlt für die von ihr eingelegte Erinnerung das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis mit der Folge, dass die Erinnerung unzulässig ist. Mit dem Rechtsbehelf der Erinnerung kann die Schuldnerin nur Verstöße gegen das Vollstreckungsrecht geltend machen, durch die sie selbst beschwert ist. Daran fehlt es, wenn die Schuldnerin eine Beeinträchtigung durch die Herausgabevollstreckung ausschließlich aus dem Recht eines Dritten – hier aus dem Vermieterpfandrecht des Vermieters – ableitet (vgl. RGZ 42, 343, 344; MünchKommZPO/K. Schmidt, 3. Aufl., § 766 Rn 25; Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 766 Rn 12; a.A. Wieczorek/Schütze/Salzmann, ZPO, 3. Aufl., § 766 Rn 33; vgl. ferner Walker, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., § 766 Rn 2.

Auch der Vermieter bleibt ohne Erfolg

Die Erinnerung des Vermieters hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Erinnerung nach § 766 ZPO ist beschränkt auf Anträge, Einwendungen und Rügen, die die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Vollstreckungsorgan zu beachtende Verfahren betreffen. Einwendungen aus einem materiellen Recht des Schuldners oder eines Dritten können mit dem Rechtsbehelf nicht geltend gemacht werden.

Keine materielle Einwendung bei § 766 ZPO

Zu den im Erinnerungsverfahren ausgeschlossenen materiellen Einwendungen rechnen auch das Bestehen und die Reichweite eines Vermieterpfandrechts, weil der Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan nicht dafür zuständig ist, materiell-rechtliche Ansprüche der Parteien oder Dritter im Rahmen der Zwangsvollstreckung zu klären. Auch hierüber haben bei Streit der Parteien die Gerichte und nicht die Vollstreckungsorgane zu entscheiden (BGH InVo 2007, 76).

Das sind die Gegenargumente…

Der Auffassung, das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters schütze ihn davor, dass die Sache gegen seinen Willen von dem Grundstück entfernt wird, ist nicht zuzustimmen. Nach dieser Meinung dürfe in diese Rechtsposition im Rahmen der Vollstreckung eines gegen den Mieter gerichteten Titels nicht eingegriffen werden. Im Ergebnis sei das Vermieterpfandrecht nicht anders zu behandeln als der Mitgewahrsam eines Dritten an der Sache. Dass diese Sichtweise zu einer Überprüfung des Bestehens des Vermieterpfandrechts durch den GV im Rahmen der Herausgabevollstreckung führe, sei hinzunehmen.

… die der BGH zurückweist

Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Herausgabevollstreckung nach § 883 ZPO setzt voraus, dass der Schuldner oder ein herausgabebereiter Dritter Gewahrsam an der herauszugebenden Sache hat; andernfalls muss der Gläubiger den Weg des § 886 ZPO beschreiten. Die Prüfung des Gewahrsamsverhältnisses ist daher im Rahmen der Herausgabevollstreckung ebenso wie bei der Pfändung körperlicher Sachen nach § 808 ZPO Aufgabe des Gerichtsvollziehers.

Vermieterpfandrecht vermittelt keinen Gewahrsam

Dagegen begründet das besitzlose Vermieterpfandrecht keinen Gewahrsam des Vermieters an den vom Mieter eingebrachten Sachen. Ebenso wenig steht das Selbsthilferecht des Vermieters nach § 562b Abs. 1 BGB i.V.m. § 562a BGB einem Gewahrsam an der Sache gleich. Der Vermieter ist deshalb bei der Herausgabevollstreckung darauf beschränkt, einen Rückschaffungsanspruch nach § 562b Abs. 2 ZPO geltend zu machen, wenn sein Vermieterpfandrecht dem der Herausgabevollstreckung zugrunde liegenden Recht des Gläubigers vorgeht. Diese nach materiell-rechtlichen Vorschriften und nicht nach Vollstreckungsrecht zu beurteilende Prüfung obliegt ...

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