AG bis BGH: Antrag ist schon unzulässig
Alle Fachgerichte haben den Antrag schon für unzulässig erachtet, weil er erst nach der Rechtskraft des Zuschlagbeschlusses gestellt wurde. Das BVerfG hat diese Auffassung für richtig erachtet und damit ein großes Einfallstor für weitere Verfahrensverzögerungen durch den Schuldner geschlossen.
Langer Weg bis zum Zuschlagbeschluss
Bis in einem Zwangsversteigerungsverfahren ein Zuschlagbeschluss erreicht werden kann, vergehen meist viele Monate, in einigen Fällen auch Jahre, in denen sich der Gläubiger allen Rechtsmitteln ausgesetzt sieht, die nur denkbar sind. Sie werden von den Schuldnern in den meisten Fällen nur deshalb genutzt, weil ihnen die Rechtsmittelverfahren Zeit geben, in denen sie ihren bisherigen Lebensmittelpunkt nicht aufgegeben müssen.
BVerfG sieht alle Interessen und beseitigt Gefahr
Ohne jeden Zweifel ist die Konsequenz für den Schuldner hart. Man darf aber auch die Bedeutung der Sache für den Gläubiger sehen, der über einen lange Zeitraum auf den Ausgleich von zum Teil sehr hohen Forderungen warten muss. Auch der Zuschlagbegünstigte muss geschützt werden, der sich nach der Rechtskraft des Zuschlagbeschlusses auf seine neuen Rechte einstellt und ggf. sogar schon weitere Dispositionen getroffen hat. Das BVerfG spricht aus, dass für ihn der nachträgliche Eingriff wie eine Enteignung wirken muss. Mit der Entscheidung des BVerfG herrscht nun Rechtsklarheit: Nach der Rechtskraft des Zuschlagbeschlusses geht für den Schuldner nichts mehr. Er kann allenfalls noch die Räumung verzögern (s.u.).
BGH ist konsequent
Die Entscheidung des BGH, dass ein erstmals nach Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses gestellter, auf Aufhebung der Anordnung der Zwangsversteigerung des Grundstücks – und damit auch des rechtskräftigen Zuschlagsbeschlusses – gerichteter Antrag des Schuldners nach § 765a Abs. 1 ZPO unzulässig ist, fügt sich nahtlos und folgerichtig in eine gefestigte Rechtsprechung ein. Rechtsmängel begründende Tatsachen, die erst nach Erteilung des Zuschlags entstanden oder dem Vollstreckungsgericht bekannt geworden sind, müssen aufgrund der in § 100 ZVG getroffenen Regelung auch in einem Beschwerdeverfahren gegen den Zuschlagsbeschluss grundsätzlich unberücksichtigt bleiben und dürfen nicht zur Aufhebung des Zuschlags führen (vgl. BGHZ 44, 138; OLG Düsseldorf Rpfleger 1987, 514). Dieser Grundsatz erfährt nur dann eine Durchbrechung, wenn eine konkrete Gefahr für Leben oder Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen infolge des Eigentumsverlusts durch die Zuschlagserteilung (noch) während des Verfahrens über eine gegen den Zuschlagsbeschluss zulässigerweise erhobene Beschwerde zutage tritt und dem (Beschwerde-)Gericht unterbreitet wird (BGH NJW 2006, 505; BGH NJW-RR 2008, 1741). Mit der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses und der Verteilung des Erlöses ist das Zwangsversteigerungsverfahren jedoch beendet. Der rechtskräftige Zuschlagsbeschluss kann danach – abgesehen von Fällen der Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten im Sinne des § 319 Abs. 1 ZPO und der außerordentlichen Beschwerde nach § 96 ZVG, § 569 Abs. 1 Satz 3 ZPO bei Vorliegen der Erfordernisse der Nichtigkeits- oder der Restitutionsklage (BGH FamRZ 2005, 200 f.; OLG Oldenburg Rpfleger 1990, 179 f.; Stöber, ZVG, 19. Aufl. 2009, § 81 Rn. 9.3 u. 9.4, § 96 Rn. 3) – nicht mehr geändert oder ergänzt werden.
Der letzte Anker des Schuldners
Der rechtskräftige Zuschlagsbeschluss bedeutet bei einer konkreten Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Schuldners allerdings nicht zwangsläufig, dass der Schuldner seine Wohnung sofort räumen muss. Nach Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses bleibt dem Schuldner über § 765a ZPO die Möglichkeit, die vorläufige Einstellung der Räumungsvollstreckung zu erreichen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen (vgl. BGH, Beschl. v. 19.6.2008, a.a.O. BGH NJW-RR 2008, 1741). An den neuen Eigentumsverhältnissen ändert dies aber nichts mehr.