Leitsatz
Der Einwand der Unzulässigkeit einer Zwangsvollstreckung, der darauf gestützt wird, dass die persönliche, akzessorische Haftung des Gesellschafters gemäß § 93 InsO nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kann, kann nicht mit der Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO, sondern nur mit der Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO geltend gemacht werden.
AG Bremen, 11.7.2011 – 507 IN 12/11
1 I. Der Fall
Widerspruch und Erinnerung gegen Abgabe der e.V.
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem vor dem LG geschlossenen Vergleich. Klägerin im dortigen Verfahren war die Gläubigerin, Beklagte waren die Insolvenzschuldnerin und ihr persönlich haftender Gesellschafter, der jetzt in Anspruch genommene Schuldner. In dem umfangreichen Vergleich, dem weitere Beteiligte beigetreten waren, verpflichteten die Beklagten sich unter anderem zur Zahlung eines Betrages von rund 98.000,– EUR. Nachdem die Obergerichtsvollzieherin (OGV) einen Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung anberaumt hatte, legte der Schuldner hiergegen Widerspruch ein.
Einwand: Sperrwirkung des § 93 InsO sei nicht beachtet
Das AG entscheidet über seine zugleich eingelegte Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO. Der Schuldner begründet diese damit, dass die OGV die Sperrwirkung des § 93 InsO nicht beachtet habe, die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sei. Die persönliche Haftung eines Gesellschafters könne während des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Die Gläubigerin habe in dem vor dem LG geführten Prozess den Schuldner ausschließlich aufgrund seiner Komplementärstellung zur jetzigen Insolvenzschuldnerin in Anspruch genommen. Die Gläubigerin tritt dem mit der Behauptung entgegen, dass der Schuldner im damaligen Verfahren ausschließlich aufgrund einer Unterstützungsvereinbarung persönlich in Anspruch genommen worden sei, nicht aufgrund seiner akzessorischen Haftung als Komplementär.
2 II. Die Entscheidung
AG: Erinnerung ist unzulässig
Das Insolvenzgericht entscheidet gemäß § 89 Abs. 3 InsO über Einwendungen, die sich aus den Gründen der Absätze 1 und 2 der gleichen Vorschrift gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung richten. Es wacht damit über die Einhaltung der Vollstreckungsverbote, die sich allein aus der Anhängigkeit des Insolvenzverfahrens ergeben.
§ 93 InsO betrifft das materielle Recht
Die Frage, wieweit die Vorschrift entsprechend bei anderen Verstößen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung anwendbar ist, kann offen bleiben, denn die vom Schuldner gerügte Nichtbeachtung des § 93 InsO ist keine Frage der Art und Weise der Zwangsvollstreckung, sondern betrifft den vollstreckbaren Anspruch selbst. Diese Einwendungen können nur durch eine Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO geltend gemacht werden. Die Wirkung des § 93 InsO ist die, dass der Gläubiger für die Dauer des Insolvenzverfahrens die Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis verliert (Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 2. Aufl., Rn 26 zu § 93 InsO). Ob dies bei der titulierten Forderung der Fall ist oder nicht, lässt sich aus dem Vergleich selbst nicht entnehmen, sondern bedarf einer materiell-rechtlichen Überprüfung. Diese kann nur im Erkenntnisverfahren erfolgen (BGH NJW 2008, 3640 betreffend den Einwand der Restschuldbefreiung; BGH BKR 2009, 333 betreffend die Unwirksamkeit einer Unterwerfungsklausel).
Schuldner argumentiert inhaltlich, nicht formal
Dies zeigt sich auch im vorliegenden Verfahren, in dem die Parteien ihre Argumente nicht auf den Vergleichstext selbst, sondern auf die Klagschrift im damaligen Verfahren stützen. Danach hatte der damalige Prozess offensichtlich zwei Streitgegenstände. Zum einen hatte die Insolvenzschuldnerin die Verbindlichkeiten einer GmbH übernommen, deren Geschäftsführer der Schuldner war. In dieser Vereinbarung war zugleich eine Haftung des Schuldners vereinbart. Schuldgrund des geltend gemachten Anspruchs ihm gegenüber war damit diese Vereinbarung, nicht die gesetzliche Haftung als Komplementär der Insolvenzschuldnerin. Der BGH hat in seinem grundlegenden Urt. v. 4.7.2002 (NJW 2002, 2718) ausgeführt, dass in einem solchen Fall der Insolvenzverwalter nicht gemäß § 93 InsO zur Geltendmachung der Forderung ermächtigt ist. Einem Gesellschaftsgläubiger bleibt vielmehr die Möglichkeit, durch persönliche Vereinbarung mit den Gesellschaftern die Wirkungen des § 93 InsO zu umgehen. Nur soweit die Klage des Weiteren auf Rückzahlung einer Courtage gerichtet war, ergibt sich aus der Klagschrift, dass die Gläubigerin ihren Anspruch gegenüber dem Schuldner nur auf seine Stellung als Komplementär stützte. In welcher Weise mit dem Vergleich auch dieser Anspruch erledigt wurde, ist nicht im Verfahren der Vollstreckungserinnerung zu klären.
3 III. Der Praxistipp
Zwangsvollstreckung beginnt schon im Prozess
Die Entscheidung des Amtsgerichtes belegt, dass der Prozessbevollmächtigte schon im Erkenntnisverfahren die Zwangsvollstreckung vor Augen haben muss. Haften neben der Gesellschaft auch die Gesellscha...