Leitsatz

Der Gerichtsvollzieher darf die Einholung von Drittauskünften nach § 802l ZPO im Falle einer vom Schuldner abgegebenen Vermögensauskunft, deren Inhalt eine vollständige Befriedigung des Gläubigers voraussichtlich nicht erwarten lässt, nicht mit der Begründung verweigern, dass der Gläubiger keine Anhaltspunkte vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Selbstauskunft des Schuldners aufkommen lassen.

LG Magdeburg, 30.6.2014 – 3 T 360/14

1 I. Der Fall

Vermögensauskunft und Vermögensauskunft Dritter kombiniert

Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung in Höhe von 8.130,23 EUR. Sie begehrt die Abnahme der Vermögensauskunft gemäß § 802c ZPO in Verbindung mit der Einholung von Auskünften Dritter gemäß § 802l ZPO. Daraufhin gab die Schuldnerin eine Vermögensauskunft ab, nach der sie ein monatliches Einkommen von 398,12 EUR (Mutterschaftsgeld) zzgl. 184 EUR (Kindergeld) bezieht und im Übrigen über keinerlei über eine bescheidene Lebensführung hinausgehende Vermögensgegenstände verfügt.

Vermögensauskunft Dritter wird verweigert

Der GV lehnte unter Hinweis auf die Schlüssigkeit des Vermögensverzeichnisses und die diesbezügliche Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Schuldnerin die weiter­gehende Einholung einer Vermögensauskunft Dritter ab. Hiergegen wandte sich die Gläubigerin mit ihrer letztlich erfolglosen Erinnerung.

2 II. Die Entscheidung

Das akzeptiert das LG nicht

Die Ablehnung des GV, Drittauskünfte gemäß § 802l ZPO einzuholen, weil die Schuldnerin eine Vermögensauskunft abgegeben und deren Inhalt an Eides statt versichert hat und keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit dieser Auskunft vorliegen, entspricht nicht der geltenden Gesetzeslage. § 802l Abs. 1 Satz 1 ZPO sieht ausdrücklich vor, dass der GV die entsprechenden Auskünfte bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung, dem Bundeszentralamt für Steuern und dem Kraftfahrt-Bundesamt einholen darf, wenn der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkommt oder wenn bei der Vollstreckung in die dort aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten ist. Eine Einschränkung dieser Vorschrift dahingehend, dass bei Vorliegen einer Vermögensauskunft des Schuldners für das Einholen der Drittauskünfte Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen, dass die vom Schuldner abgegebene Vermögensauskunft unrichtig oder unvollständig ist, lassen sich weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung entnehmen.

Zweck des neuen Auskunftsrechts

§ 802l ZPO wurde mit dem Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29.7.2009 (BGBl I, S. 2258) eingeführt und trat mit Wirkung zum 1.1.2013 in Kraft. Bereits in der Vorbemerkung zur Gesetzesbegründung werden als Unzulänglichkeiten der bisherigen – auf den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen des 19. Jahrhunderts fu­ßenden – gesetzlichen Regelungen die begrenzten Möglichkeiten der Informationsgewinnung für den Gläubiger und insbesondere deren Beschränkung auf die Eigen­angaben des Schuldners bezeichnet (vgl. BT-Drucks 16/13432, S. 1). Mit der Möglichkeit, in diesen Fällen Fremdauskünfte durch den GV einholen zu lassen, soll diesem Informationsdefizit bei der Durchsetzung von Forderungen Rechnung getragen und dem Gläubiger im Interesse der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Zwangsvollstreckung der Zugang zu besseren Informationen über mögliche Vollstreckungsobjekte des Schuldners (Sachaufklärung) gewährleistet werden (vgl. BT-Drucks 16/13432, a.a.O., S. 40).

Gläubiger nicht überfordern

Diesem Zweck widerspräche es offensichtlich, wenn nunmehr bei Vorliegen einer Vermögensauskunft der Gläubiger Anhaltspunkte dafür vortragen und glaubhaft machen müsste, dass die vom Schuldner abgegebene Vermögensauskunft unrichtig oder unvollständig ist. Über derartige Informationen verfügt der Gläubiger in der Regel nicht. Er wird sie im Gegensatz zu staatlichen Stellen auch nicht ohne weiteres erlangen können. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist es ferner nicht erwünscht, dass der Gläubiger insoweit eigene Nachforschungen zur Richtigkeit oder Vollständigkeit der Vermögensauskunft des Schuldners anstellt. Vielmehr soll durch die Auskunftsmöglichkeiten des GV als einer staatlichen Stelle und der Einführung eines justizförmigen Verfahrens, das dem Justizgewährleistungsanspruch gerecht wird, eine etwaige Selbsthilfe des Gläubigers obsolet werden (vgl. BT-Drucks 16/13432, a.a.O., S. 40 f.).

Kein entgegenstehendes Verfassungsrecht des Schuldners

Vor dem Hintergrund dieses eindeutigen Willens des Gesetzgebers zwingt auch das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung nicht zu einer einschränkenden Auslegung des § 802l Abs. 1 ZPO dahingehend, dass Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der Vermögensauskunft gegeben sein müssen, um entsprechende Drittauskünfte einzuholen. Dem Gesetzgeber war ausweislich der Gesetzesbegründung bewu...

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