Leitsatz
Im Zwangsvollstreckungsverfahren genügt für die öffentliche Zustellung – anders als im Erkenntnisverfahren – eine negative Auskunft des Einwohnermeldeamtes.
LG Leipzig, 30.4.2015 – 8 T 208/15
1 I. Der Fall
Öffentliche Zustellung der Rechtsnachfolgeklausel?
Die Gläubigerin beantragte als Rechtsnachfolgerin der Sparkasse die Umschreibung von zwei gegenüber den Schuldnern ergangenen Vollstreckungsbescheiden auf sich selbst. Außerdem beantragte sie die öffentliche Zustellung der umgeschriebenen Vollstreckungsbescheide. Zur Glaubhaftmachung, dass die Schuldner unauffindbar sind, legte sie jeweils Auskünfte der Einwohnermeldeämter vor. Das AG erteilte die Rechtsnachfolgeklausel, lehnte aber die öffentliche Zustellung ab und half der diesbezüglichen Beschwerde nicht ab.
2 II. Die Entscheidung
Unterschied zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren
Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens genügt zum Nachweis der Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung die Vorlage aktueller Auskünfte des für den letzten bekannten Wohnort des Schuldners zuständigen Einwohnermeldeamtes (BGH NJW 2003, 1530). Die Anforderungen sind insofern im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens geringer als im Rahmen des Erkenntnisverfahrens (vgl. BGH NJW 2012, 3582, Rn 17 – zitiert nach juris). Dies ist auch gerechtfertigt, da die öffentliche Zustellung einer Klageschrift und einer rechtsmittelfähigen Entscheidung unmittelbar das rechtliche Gehör und die Rechtsverfolgungs- und Verteidigungsmöglichkeit einer Partei beeinflussen. Ein vergleichbares Schutzbedürfnis besteht im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht (vgl. BGH NJW 2003, 1530).
Negative EMA reicht
Daher ist die öffentliche Zustellung zu bewilligen. Im Hinblick darauf, dass die Schuldner unbekannten Aufenthalts sind, ist es anmessen, das AG anzuweisen, die öffentliche Zustellung zu bewilligen, damit dieses danach auch die öffentlich Zustellung durchführt (LG Mönchengladbach Rpfleger 2007, 36; LG Leipzig JurBüro 2015, 430).
Aufgrund der Zurückverweisung hat das Beschwerdegericht nicht über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 572 Rn 47). Der Streitwert wurde nach § ZPO § 3 ZPO festgesetzt.
3 Der Praxistipp
Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung
Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) nach § 185 Nr. 1 ZPO erfolgen, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Welche Anforderungen an den Nachweis des unbekannten Aufenthaltsortes zu stellen sind, wird in der Praxis sehr unterschiedlich beantwortet.
Schuldner verletzt Meldeobliegenheiten
Einerseits darf der Gläubiger nicht gehindert werden, seinen titulierten Anspruch durchzusetzen, was Inhalt des Justizgewährungsanspruches ist, wie er sich in Art 19 Abs. 4 und 14 GG ausdrückt. Zum anderen müssen die Verfahrensrechte des Schuldners gewahrt sein. Dabei darf nicht übersehen werden, dass der Schuldner durch den Verstoß gegen seine Meldeobliegenheiten die seine Rechte beeinträchtigende Situation herbeigeführt hat und die Rechtmäßigkeit des verfolgten Anspruchs bereits gerichtlich festgestellt ist.
BGH sieht geringe Anforderungen an den Nachweis
Bei der erforderlichen Abwägung zwischen dem Justizgewährungsanspruch des Antragstellers mit den Belangen des Zustellungsadressaten sind im Fall der Forderungspfändung nach dem BGH in der Regel an den Nachweis des unbekannten Aufenthalts des Schuldners, der die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an ihn entbehrlich macht (§ 829 Abs. 2 S. 2, § 835 Abs. 3 S. 1 ZPO), wegen dessen wesentlich geringeren Schutzbedürfnisses weniger strenge Anforderungen zu stellen als für öffentliche Zustellungen an den Beklagten im Erkenntnisverfahren. Insoweit ist zu sehen, dass der Schuldner nach § 834 ZPO beim Erlass des PfÜB nicht angehört wird und dessen Zustellung an ihn nicht konstitutiv ist.
LG Leipzig geht noch einen Schritt weiter
Das LG Leipzig überträgt diese Rechtsprechung insgesamt auf die öffentliche Zustellung in der Zwangsvollstreckung und geht damit weiter als der BGH. Dabei übersieht es, dass der Schuldner bei der Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel nach § 730 ZPO angehört werden kann und die Nachweisurkunden dem Schuldner nach § 750 Abs. 2 ZPO grundsätzlich zuzustellen sind, ohne dass die Ausnahme der öffentlichen Zustellung hier in vergleichbarer Weise wie in § 829 Abs. 2 ZPO normiert wird. Gleichwohl überzeugt die Entscheidung im Ergebnis, weil dem Schuldner der nachträgliche Rechtsschutz verbleibt, wenn er Kenntnis von der erteilten Klausel erhält.
FoVo 12/2015, S. 228 - 229