Leitsatz
1. Der Gläubiger muss bei Beantragung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB) die Kosten früherer Vollstreckungsmaßnahmen lediglich glaubhaft machen. Er ist nicht verpflichtet, die zuvor beantragten PfÜB in Ausfertigung nebst Zustellnachweisen sowie den Drittschuldnererklärungen seinem Antrag beizufügen.
2. Die Vollstreckungsgebühr reduziert sich nicht nachträglich auf eine Mindestgebühr, wenn die Vollstreckung ins Leere geht. Auch bei einer ergebnislosen Pfändung bemisst sich die anwaltliche Gebühr nach dem Wert der zu vollstreckenden Forderung. Es widerspräche der Systematik des RVG, die Höhe des Anwaltshonorars vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig zu machen.
LG Mannheim, 2.2.2015 – 10 T 129/14
1 I. Der Fall
Kosten: Glaubhaftmachung und Streitwert
Die Gläubigerin begehrt den Erlass eines PfÜB. Sie ist Inhaberin einer durch Vollstreckungsbescheid, Versäumnisurteil und Kostenfestsetzungsbeschluss titulierten Hauptforderung. Das AG hat den Antrag zurückgewiesen, weil die Nachweise über die Vollstreckungskosten nicht beigefügt waren, und die Auffassung vertreten, dass die anwaltlichen Gebühren vergangener Vollstreckungsmaßnahmen nur nach der Mindestgebühr zu berechnen sind, weil die Vollstreckungen letztlich ins Leere liefen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Gläubigers, der das AG nicht abgeholfen hat.
2 II. Die Entscheidung
Glaubhaftmachung: anwaltliche Versicherung
Die Gläubigerin ist nicht verpflichtet, die zuvor beantragten PfÜB in Ausfertigung nebst Zustellnachweisen sowie den Drittschuldnererklärungen ihrem Antrag beizufügen. Ein Gläubiger muss die Kosten früherer Vollstreckungsmaßnahmen lediglich glaubhaft machen (vgl. Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn 834 m.w.N.). Hierzu wird es in der Regel genügen, wenn der Gläubigervertreter die Richtigkeit anwaltlich versichert. Falls ein Gläubiger nicht anwaltlich vertreten sein sollte, kommt nach § 294 Abs. 1 ZPO eine eidesstattliche Versicherung in Betracht.
Streitwert = Nennwert Vollstreckungsforderung
Die Ansicht des AG, die Vollstreckungsgebühr reduziere sich nachträglich auf eine Mindestgebühr, wenn die Vollstreckung ins Leere gehe, ist rechtsirrig. Auch bei einer ergebnislosen Pfändung bemisst sich die anwaltliche Gebühr nach dem Wert der zu vollstreckenden Forderung (vgl. OLG Karlsruhe Rpfleger 2011, 223 ff.; Hartmann, Kostengesetze, 43. Aufl., § 25 RVG Rn 5). Es widerspräche der Systematik des RVG, die Höhe des Anwaltshonorars vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig zu machen.
Verfahrensrechtlich fehlerhaft
Auch der Meinung, ein Teilerlass eines PfÜB käme nicht in Betracht, kann nicht gefolgt werden. Bei Monierungen hinsichtlich der Forderungsaufstellung ist das Vollstreckungsgericht gehalten, zumindest hinsichtlich der unbeanstandet gelassenen Hauptforderung einen PfÜB zu erlassen. In solchen Fällen den Antrag komplett zurückzuweisen ist fehlerhaft.
3 Der Praxistipp
Die Entscheidung des LG Mannheim zeigt drei wichtige Aspekte auf:
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Zum Ersten bedurfte es keines Rückgriffs auf die Literatur, um zu begründen, dass der Gläubiger bei der Beantragung einer Vollstreckungsmaßnahme keine Nachweise beifügen muss, um die bisherigen Kosten der Zwangsvollstreckung mit beitreiben zu können. Dies ergibt sich nämlich mit § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO unmittelbar aus dem Gesetz. Danach genügt die Glaubhaftmachung. Was darunter zu verstehen ist, beantwortet wiederum § 294 ZPO, der neben der Vorlage von Urkunden eben auch die eidesstattliche Versicherung zur Glaubhaftmachung zulässt, dass die Angaben vollständig und richtig sind. Der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung steht die anwaltliche Versicherung gleich. |
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Zum Zweiten tritt das LG dem Unfug entgegen, dass ein Gegenstandswert sich nachträglich ermäßigt, wenn die Maßnahme nicht erfolgreich ist. Der Gegenstandswert orientiert sich stets am Interesse des Anspruchsstellers. In der Zwangsvollstreckung liegt es in der Realisierung der Gesamtforderung (so auch schon OLG Sachsen-Anhalt FoVo 2014, 215 = DGVZ 2014, 258 m.w.N.). Maßgeblich ist insoweit die Ex-ante-Sicht, während sich eine Ex-post-Betrachtung verbietet. Ansonsten muss demnächst auch bei allen erfolglosen Klagen die abschließende Gegenstandsfestsetzung in den ersten Streitwertkorridor bis 500 EUR führen. |
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Zum Dritten wird deutlich gemacht, dass das Vollstreckungsorgan bemüht sein muss, den Vollstreckungsanspruch schnell zu realisieren. Insoweit dürfen Randfragen nicht dazu führen, dass die Vollstreckung als Ganzes zu stoppen ist. Vielmehr muss eine teilbare Vollstreckungsmaßnahme insoweit durchgeführt oder erlassen werden, wie sie ohne Zweifel zulässig ist. Kostenbeanstandungen hindern also nicht, den PfÜB im Übrigen zu erlassen. Für die Praxis sollte der Gläubiger dies aber auch eindeutig ausdrücken: |
Formulierungshilfe
"Soweit das Gericht annimmt, dass einer oder mehrere der gepfändeten Ansprüche nicht pfändbar sind oder dem Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sonstige Hindernisse entgegenstehen, etwa Kostenbeträge abzusetzen sind, wird gebeten, den Beschlu...