Leitsatz
Wenn der Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels erst zu einem bestimmten Zeitpunkt beantragen kann, ist vorher auch keine Vorpfändung nach § 845 ZPO möglich.
LG Görlitz, 17.2.2015 – 6 T 285/14
1 I. Die Entscheidung
Voraussetzungen der Vorpfändung …
Voraussetzung einer Vorpfändung nach § 845 Abs. 1 ZPO ist, dass die sofortige Zwangsvollstreckung statthaft ist. Infolgedessen muss ein befristeter Kalendertag abgelaufen sein, § 751 Abs. 1 ZPO (Baumbach/Lauterbach, ZPO, 72. Aufl. 2014, § 845 Rn 4; Thomas/Putzo, 34. Aufl. 2013, § 845 Rn 2 mit Verweis auf Rn 27 vor 704).
… die beim zeitlichen Verzicht nicht vorliegen
Diese Umstände lagen aber zum Zeitpunkt des Antrages auf das vorläufige Zahlungsverbot durch den Gläubiger vom 4.6.2014 (Eingang beim Gerichtsvollzieher am 6.6.2014) noch nicht vor. Zu diesem Zeitpunkt war der Beginn der Zwangsvollstreckung, hier in Form der Vorpfändung, noch nicht statthaft. Im Protokoll des Arbeitsgerichts vom 8.5.2014 ist insoweit bezüglich des Anerkenntnisurteils über die Abfindung bestimmt, dass der Gläubiger (dort der Kläger) keine vollstreckbare Ausfertigung dieses Anerkenntnisurteils vor dem 10.7.2014 beantragt. Auf einen früheren Beginn der Zwangsvollstreckung ist damit verzichtet.
Vorpfändung als Teil der ZwV
Vom Gläubiger wird ersichtlich im Rahmen seiner wortlautbezogenen Argumentation übersehen, dass es sich bei einer Vorpfändung nach § 845 ZPO bereits um eine Handlung im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus einem Titel nach §§ 704 ff. ZPO handelt.
2 II. Der Praxistipp
Der rechtliche Rahmen
Auf Grund eines entsprechenden Vollstreckungsauftrags und der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung ist der Gerichtsvollzieher nach § 802a Abs. 2 Nr. 5 ZPO befugt, eine Vorpfändung (§ 845 ZPO) durchzuführen. Hierfür bedarf es nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung nicht der vorherigen Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung und der Zustellung des Schuldtitels.
Vollstreckbarer Schuldtitel ist erforderlich
Nach der gesetzlichen Formulierung ist zu unterscheiden: Auch die Vorpfändung setzt – wie jede andere Maßnahme der Zwangsvollstreckung – einen vollstreckbaren Schuldtitel im Zeitpunkt der Zustellung der Vorpfändung voraus. Dagegen bedarf es nicht der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung als formeller Ausweis der Vollstreckbarkeit und der Zustellung als sonstige Voraussetzung für den Beginn der Zwangsvollstreckung.
Bestimmter Kalendertag schiebt die Vollstreckung auf
Ist die Geltendmachung des Anspruchs von dem Eintritt eines Kalendertages abhängig, so darf die Zwangsvollstreckung nach § 751 Abs. 1 ZPO nur beginnen, wenn der Kalendertag abgelaufen ist. Insoweit liegt vor diesem Zeitpunkt zwar ein Titel vor, aber eben gerade kein vollstreckbarer.
Das richtige Vorgehen
Die aufgeschobene Vollstreckbarkeit hätte allerdings nicht zur Antragszurückweisung führen müssen. Vielmehr hätte der Gläubiger den Antrag schon frühzeitig mit der Maßgabe stellen können und müssen, dass die Zustellung der Vorpfändung (erst) nach dem Ablauf des Kalendertages, dann aber unmittelbar erfolgt (zum vergleichbaren Fall der vorzeitigen Erteilung der Vorpfändung bei Steuererstattungsansprüchen BGH DGVZ 2012, 30). Die Verzögerung, die dadurch eintritt, dass der Antrag überhaupt erst am Tag nach dem Ablauf des bestimmten Kalendertages erfolgt, hätte so vermieden werden können.
Die Fertigung der Benachrichtigung
Für die vorstehenden Ausführungen bleibt unerheblich, wer das Benachrichtigungsschreiben zur Vorpfändung fertigt (Stöber, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 845 ZPO, Rn 2). Nicht unerheblich ist dies allerdings für die sich daraus ergebende Kostenfolge:
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Fertigt der Gerichtsvollzieher das Benachrichtigungsschreiben, so erhält er hierfür die Gebühr nach Nr. 200 KVGvKostG mit 16 EUR zuzüglich der Auslagenpauschale nach Nr. 716 KVGvKostG von 3,20 EUR, insgesamt also 19,20 EUR. Hinzu kommt noch die Zustellung mit der Post nach Nr. 101, 701 KVGvKostG von 6,45 EUR (3 EUR + 3,45 EUR Postentgelt), die zugleich noch die Auslagenpauschale nach Nr. 716 KVGvKostG um 0,60 EUR erhöht. Es fallen also insgesamt 26,25 EUR an. |
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Fertigt der Gläubiger das Vorpfändungsschreiben selbst (Muster als Arbeitshilfe hierzu in FoVo 2013, 46), fallen dagegen nur die reichen Zustellungskosten an, die sich nach Nrn. 101, 701, 716 KVGvKostG auf 9,45 EUR belaufen, d.h. um 16,80 EUR geringer ausfallen. Den Ablauf der kalendermäßig bestimmten Frist bis zum Vollstreckungsbeginn kann der Gläubiger also nutzen, um das Vorpfändungsschreiben selbst zu fertigen. |
Vorpfändung taktisch einsetzen
Die Vorpfändung ist besonders wirksam, wenn der Schuldner unmittelbar einen Vollstreckungsdruck verspürt. Eine solche Situation tritt insbesondere bei der Vorpfändung eines Kontos ein. Hier kann in besonderer Weise der Aufwand der Beschaffung einer vollstreckbaren Ausfertigung vermieden werden, wenn der Schuldner direkt reagiert und es zu einer gütlichen Einigung kommt. Eine vollstreckbare Ausfertigung ist nämlich auch nicht nach § 727 ZPO für bzw. gegen den Rechtsnachfolger erforderlich,...