Leitsatz
Der Gläubiger kann durch Beschränkung des Vollstreckungsauftrags auf die Zuleitung eines Ausdrucks des letzten abgegebenen Vermögensverzeichnisses (VV) verzichten.
BGH, 27.10.2016 – I ZB 21/16
1 I. Der Fall
Antrag auf Vermögensauskunft
Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung und beantragte, ihr die Vermögensauskunft (VA) nach §§ 802f, 802c ZPO abzunehmen. Der Antrag war mit folgender Einschränkung versehen:
Vorliegende VV nur, wenn nicht älter als zwölf Monate
Sollte der Schuldner innerhalb der letzten zwei Jahre nach altem Recht des § 807 ZPO oder der letzten zwei Jahre gemäß § 802c ZPO eine VA abgegeben haben, so wird beantragt, dem Gläubiger einen Abdruck des beim Gericht bzw. beim zentralen Vollstreckungsgericht hinterlegten VV zuzuleiten, wenn das Verzeichnis nicht älter als zwölf Monate ist. Bei einem älteren Verzeichnis erfolgt Antragsrücknahme. Ist das Verzeichnis älter, wird um Mitteilung gebeten, wann und wo die VA abgegeben wurde.
GV lehnt Auftrag ab
Der Gerichtsvollzieher (GV) hat die Durchführung des Auftrags abgelehnt, weil weder die VA noch die Erteilung einer Abschrift des VV an eine Bedingung geknüpft werden könne. Die dagegen gerichtete Erinnerung der Gläubigerin hat das AG zurückgewiesen und auch die sofortige Beschwerde vor dem LG ist ohne Erfolg geblieben. Der Vollstreckungsauftrag sei mit unzulässigen Einschränkungen versehen. Nach der gesetzlichen Regelung sei die Dispositionsbefugnis des Gläubigers eingeschränkt.
2 II. Die Entscheidung
Rechtsbeschwerde erfolgreich: GV muss Gläubigerauftrag ausführen
Die vom LG zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Das LG hat zu Unrecht angenommen, der Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin stehe unter einer unzulässigen Bedingung, wenn sie eine Abschrift des VV nur für den Fall beantrage, dass dieses Verzeichnis nicht älter als zwölf Monate sei.
Voraussetzungen der Vermögensauskunft
Nach § 802d Abs. 1 S. 1 ZPO ist ein Schuldner, der die VA nach § 802c ZPO innerhalb der letzten zwei Jahre abgegeben hat, zur erneuten Abgabe nur verpflichtet, wenn ein Gläubiger Tatsachen glaubhaft macht, die auf eine wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners schließen lassen. Ist dies nicht der Fall, bestimmt § 802d Abs. 1 S. 2 ZPO, dass der GV dem Gläubiger einen Ausdruck des letzten abgegebenen VV zuleitet.
Streit um die Übersendung des Vermögensverzeichnisses
Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob der Gläubiger auf die Übersendung des früheren VV gemäß § 802d ZPO verzichten oder den Zwangsvollstreckungsauftrag in der Weise beschränken kann, dass der Gerichtsvollzieher von der Übersendung eines älteren, beispielsweise mehr als sechs oder zwölf Monate alten VV absehen muss.
Ansicht 1: keine Dispositionsbefugnis des Gläubigers
Eine Ansicht, der sich das LG angeschlossen hat, nimmt an, es bestehe keine Dispositionsbefugnis des Gläubigers hinsichtlich der Übersendung des innerhalb der Sperrfrist bereits abgegebenen VV (vgl. LG Münster DGVZ 2014, 201; LG Kiel DGVZ 2014, 220; AG Heidelberg DGVZ 2013, 166; AG Mühldorf DGVZ 2013, 193; AG Dortmund DGVZ 2014, 72; Wasserl, DGVZ 2013, 85, 88; Mroß, DGVZ 2014, 19; Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl., KVGv Nr. 261 Rn 3). Danach habe der Gesetzgeber mit der Formulierung "andernfalls leitet der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger einen Ausdruck des letzten abgegebenen Vermögensverzeichnisses zu" in § 802d Abs. 1 S. 2 ZPO deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Übersendung eines schon vorhandenen VV notwendige Folge des Antrags auf Abgabe der VA sei. Lasse man einen Verzicht des Gläubigers auf die Zuleitung eines abgegebenen VV zu, unterblieben zudem Folgeeintragungen in das Schuldnerverzeichnis gemäß § 882c Abs. 1 Nr. 2 und 3 ZPO. Entgegen der Absicht des Gesetzgebers könne das Verzeichnis dann seine Warnfunktion hinsichtlich der Kreditunwürdigkeit der eingetragenen Schuldner nicht erfüllen. Dieser Auslegung stehe die Dispositionsfreiheit des Gläubigers nicht entgegen, da die automatische Übersendung des Ausdrucks des letzten abgegebenen VV im Verhältnis zum Erstantrag keine gesonderte weitere Vollstreckungsmaßnahme darstelle, sondern schon der Vollstreckungsauftrag des Gläubigers kraft Gesetzes die alternative Handlungsanweisung an den Gerichtsvollzieher enthalte, entweder die VA abzunehmen oder das bereits vorhandene VV aus den letzten zwei Jahren an den Gläubiger zu übersenden.
Ansicht 2: Gläubiger kann Auftrag einschränken
Nach anderer Auffassung kann der Gläubiger aufgrund der das Zwangsvollstreckungsrecht beherrschenden Dispositionsmaxime den Vollstreckungsauftrag für den Fall einschränken oder zurücknehmen, dass der Schuldner innerhalb der Sperrfrist bereits die VA abgegeben hat (vgl. OLG Hamm NJOZ 2015, 1100; OLG Schleswig DGVZ 2015, 88, 90; OLG Dresden DGVZ 2016, 34; OLG Köln DGVZ 2016, 13; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 802d Rn 3; BeckOK-ZPO/Fleck, § 802d Rn 6c; Walker, in: Schusc...