Leitsatz
Die Bezeichnung der zu pfändenden Forderung ist hinsichtlich ihrer Bestimmtheit daran zu messen, dass Schuldner und Drittschuldner sie identifizieren können und dem Gläubiger nur solche Angaben abverlangt werden, die eine Möglichkeit zur Pfändung nicht unzumutbar einschränken.
LG Osnabrück, Beschl. v. 9.5.2019 – 2 T 210/19
1 I. Der Fall
Der Gläubiger betreibt die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner. Im Wege der Forderungspfändung hat der Gläubiger als Anspruch G die "Forderung aus einem Grundstückskaufvertrag" gepfändet. Dabei wurde das Grundstück als Gegenstand des Kaufvertrages grundbuchrechtlich präzise bezeichnet. Gleichwohl hat der Rechtspfleger den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses abgelehnt.
Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers korrigiert das LG die Entscheidung und verpflichtet den Rechtspfleger zum Erlass des PfÜB.
2 II. Die Entscheidung
Was der Gläubiger nur wissen kann …
An die Bezeichnung der zu pfändenden Forderung dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es müssen gewisse Ungenauigkeiten hingenommen werden, da dem Vollstreckungsgläubiger die Verhältnisse in der Regel nicht genau bekannt sind und weitere Nachforschungen auch nicht zumutbar sind (vgl. OLG Frankfurt, 1.8.1997 – 26 W 79/97). Entscheidend ist, ob die gepfändete Forderung auch von unbeteiligten Personen hinreichend klar bestimmt werden kann, so dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll. Ausreichend ist jedenfalls, dass der Rechtsgrund der gepfändeten Forderung in allgemeinen Umrissen angegeben ist (vgl. Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 829 Rn 8).
… reicht völlig aus
Die Gläubigerin hat den Drittschuldner benannt, die Art der zu pfändenden Forderung sowie den Anspruchsgrund der Forderung. Die Gläubigerin hat die Forderung als "Forderung aus Grundstückskaufvertrag" bezeichnet, was spätestens mit dem Schriftsatz vom 30.4.2019 dahingehend zu verstehen ist, dass die Kaufpreisforderung aus dem Grundstückskaufvertrag gepfändet werden soll. Der Grundstückskaufvertrag, aus dem sich die Kaufpreisforderung ergibt, ist auch hinreichend genug konkretisiert, da das verkaufte Grundstück nach Blatt und Flur bezeichnet worden ist. Die Bezeichnung der gepfändeten Forderung unterscheidet sich danach im Ergebnis z.B. nicht von der Bezeichnung "Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (Bohrarbeiten)", die als hinreichend bestimmt angesehen worden ist (vgl. BGH, NJW 1983, 886).
Datum des Vertragsabschlusses oder sonstige Identifizierung ist nicht nötig
Es ist insbesondere für die hinreichende Bestimmtheit einer zu pfändenden Forderung nicht erforderlich, den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu benennen oder – beim Grundstückskauf – die Urkundenrollennummer anzugeben. Derartige Informationen stehen dem Gläubiger regelmäßig nicht zur Verfügung und es würde die Möglichkeiten der Pfändung unzumutbar einschränken, wenn vom Gläubiger derartige Informationen verlangt würden.
Unbestimmtheit nur bei mehreren gleichartigen Geschäften
Anhaltspunkte dafür, dass zwischen dem Schuldner und dem Drittschuldner zwei oder sogar mehrere Grundstückskaufverträge über das Grundstück … geschlossen worden wären – was ggf. einer hinreichenden Bestimmtheit entgegenstehen könnte – liegen nicht vor.
3 Der Praxistipp
Informationsbeschaffung als Schlüssel
Die Informationsbeschaffung ist der Schlüssel zum Erfolg in der Zwangsvollstreckung. Trotzdem sind ihr Grenzen gesetzt:
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mangende Auskunftspflichten des Schuldners und von Dritten, |
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Auskunftspflichten, die zu spät kommen, um noch vor dem Vollzug eines Austauschgeschäftes auf die Ansprüche des Schuldners zugreifen zu können, |
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datenschutzrechtliche Bestimmungen, die eine über die Selbstauskunftspflicht des Schuldners nach §§ 802c, d ZPO hinausgehende Ermittlung bei Dritten beschränken. |
Grenzen müssen bei Bestimmtheitsanforderung gesehen werden
Notwendigerweise führt das Informationsdefizit dazu, dass Ansprüche des Schuldners gegen Dritte nicht mit letzter Präzision beschrieben werden können. Insoweit wird auch stets nur die "angebliche" Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner gepfändet. Maßstab muss deshalb sein, welche Erkenntnisse ein verständiger Gläubiger erlangen kann, um die Forderung im Antrag auf Erlass eines PfÜB zu beschreiben.
Begrenzte Prüfungskompetenz des Rechtspflegers
Das Vollstreckungsgericht prüft zunächst die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nach § 750 ZPO. Im zweiten Schritt sind die Formalien des Pfändungs- und Überweisungsantrages nach der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung zu prüfen. Er muss die notwendigen Angaben enthalten.
Es prüft dagegen nicht den Tatsachenvortrag des Gläubigers auf Schlüssigkeit oder gar Begründetheit. Das Pfändungsverfahren ist kein Erkenntnisverfahren. In dem formalisierten Zugriffsverfahren werden die Angaben des Gläubigers als richtig unterstellt (Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 829 Rn 4). Geprüft wird nur, ob das Vorbringen des Gläubigers die Forderung als als Gegenstand der Zwangsvollstreckung im Schuldnervermögen pfändba...