Kann man so sehen und kann man so machen
Die Argumentation des BGH ist aus rechtlich-dogmatischer Ansicht nicht zu beanstanden. Das kann man so sehen und das kann man so machen. Es hätte allerdings auch genügt auszusprechen, dass der Gerichtsvollzieher an die aufgeführten Fragen nicht gebunden ist. In der Praxis hilft diese Rechtsprechung tatsächlich niemandem. Insbesondere für den Schuldner kann sie einen Pyrrhussieg begründen und teuer werden.
Eine sonst erstrebte frühe Transparenz über die Pflichten des Schuldners mit entsprechenden Hinweisen (§ 254 BGB, § 43d BRAO, § 13a ff. RDG) wird hier aktiv untergraben. Es wäre zu wünschen, dass der Gesetzgeber die Rechtslage ändert und in § 836 Abs. 3 ZPO einen Satz aufnimmt: "Der Gläubiger kann die Verpflichtung des Schuldners zur Auskunftserteilung wie zur Herausgabe bereits mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss konkretisieren."
Hilfreich ist anders …
Ziel der Zwangsvollstreckung in Form der Forderungspfändung sollte es nicht sein, die weitere Zwangsvollstreckung in Form der Auskunfts- oder Herausgabevollstreckung nach § 836 Abs. 3 ZPO zu provozieren. Sie ist aufwändig, belastet die Vollstreckungsparteien und die Vollstreckungsorgane, verzögert die Befriedigung der Vollstreckungsforderung und verursacht durch die Vollstreckung nach § 836 Abs. 3 ZPO weitere – erhebliche – Kosten, die der Gläubiger vorfinanzieren muss und letztlich der Schuldner nach § 788 ZPO zu tragen hat.
Vor diesem Hintergrund ist es grundsätzlich sinnvoll, dem Schuldner schon mit dem PfÜB seine Verpflichtungen nach § 836 Abs. 3 ZPO möglichst konkret vor Augen zu führen, damit er daraus die Konsequenz zieht, sie möglichst freiwillig zu erfüllen und eine weitere Vollstreckung dieser Nebenforderungen entbehrlich zu machen. Die Praxis zeigt, dass eher antriebsarme Schuldner sich von der Appellfunktion eines PfÜB durchaus in relevanter Zahl motivieren lassen.
Gläubiger und Schuldner müssen Alternativen abwägen
Die Entscheidung des BGH macht ansonsten die Zwangsvollstreckung weiter unattraktiv. Dies gilt insbesondere für kleinere Vollstreckungsforderungen, weil Kosten und Liquiditätsrisiko in keinem Verhältnis zum Nutzen und Ertrag mehr stehen.
Der Gläubiger ist deshalb gut beraten, intensiv auf außergerichtliche Möglichkeiten einer qualifizierten Zahlungsvereinbarung mit der Abtretung von Forderungen und der Einräumung von Auskunftsrechten gegenüber Dritten zu setzen. Der aktuell leistungsbeschränkte Schuldner ist seinerseits gut beraten, hierauf einzugehen, da dies die kostengünstigste Art ist, eine Streckung der Forderungserfüllung zu erlangen.
Leider werden gerade viele ohnehin schon in schwierigen finanziellen Verhältnissen lebende Schuldner mit einer gering ausgeprägten geschäftlichen Gewandtheit und Lösungskompetenz unter der Betrachtungsweise des BGH zu leiden haben. Sie werden die Zusammenhänge nicht sehen und in einer gewissen Lethargie verharren, bis die Kosten die Hauptforderung immer weiter übersteigen.
FoVo 12/2022, S. 231 - 235