Der inkonsequente Gesetzgeber
§ 130d gilt für den Rechtsanwalt in allen Verfahren. Das kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Gleichwohl zeigt allerdings gerade die Zwangsvollstreckung, wie inkonsequent der Gesetzgeber (noch) agiert.
Außerhalb der vereinfachten Vollstreckungsanträge nach § 754a ZPO und § 829a ZPO ist nämlich (noch) stets ein hybrider Antrag gefordert, da der Gläubiger bzw. sein Bevollmächtigter den Vollstreckungstitel (noch) im Original vorlegen müssen. Dies macht beim bevollmächtigten Rechtsanwalt wie beim Gericht aufgrund des ersichtlichen Medienbruchs zusätzlichen und sicher unnötigen Aufwand.
Endlich vollelektronischen Anträgen die Tür öffnen
Die §§ 754a, 829a ZPO haben sich in der Praxis bewährt. Missbrauchsfälle sind nicht zu sehen. Die Versicherung – jedenfalls des Rechtsdienstleisters –, dass der Vollstreckungstitel vorliegt, genügt, um die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nach § 750 ZPO vorbehaltlich einer anlassbezogenen Kontrolle anzunehmen. Dazu sind die weiteren Sicherungsmaßnahmen zu sehen.
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Handlungsoption des Vollstreckungsorgans bei ZweifelnHaben das Gericht oder der Gerichtsvollzieher an dem Vorliegen einer Ausfertigung des Vollstreckungstitels oder der übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen Zweifel, teilen sie dies nach § 829a Abs. 2 oder § 754a Abs. 2 ZPO dem Gläubiger mit und führen die Zwangsvollstreckung erst durch, nachdem der Gläubiger die Ausfertigung des Vollstreckungstitels übermittelt oder die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen nachgewiesen hat. |
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Schuldner hat RechtsmittelNeben dem Vollstreckungsorgan kann auch der Schuldner sich gegen die Zwangsvollstreckung mit Rechtsmitteln nach §§ 766, 793 ZPO zur Wehr setzen und das Vorliegen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach § 750 ZPO bestreiten. Dabei schützt die Option der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung den Schuldner, ebenso wie ein Schadensersatzanspruch beim Rechtsmissbrauch ein Kompensation von Schäden gewährleistet. |
Denkbar: aktive Herausgabepflicht bei erledigten Vollstreckungstiteln
Der Gesetzgeber könnte ein weiteres Sicherungselement gegen den Missbrauch von Vollstreckungstiteln vorsehen, indem er die aktive Herausgabepflicht bei deren endgültiger Erfüllung postuliert. Da Schuldner nach dem Abschluss der Vollstreckung nicht immer erreichbar sind, wäre es dabei sinnvoll, noch eine zentrale Rückgabe der vollstreckbaren Ausfertigung an das ursprünglich titelschaffende Gericht mit vorzusehen. Angesichts der in der Zwangsvollstreckung ohnehin schon extrem niedrigen Gebühren darf diese zusätzliche Aufgabe allerdings nicht ohne kostenerstattende Auslage bleiben, die mit der Zwangsvollstreckung beizutreiben ist. Diese kann auch vorweg exakt bestimmt werden, wenn die Form der Übersendung (etwa Einwurf-Einschreiben) gesetzlich geregelt wird.
FoVo 12/2022, S. 228 - 231