Auf den Auftrag kommt es an
Die Behandlung dieser Kosten ist streitig. Am Ende des Tages stellt sich die primäre Frage, welchen Auftrag der Rechtsdienstleister vom Gläubiger erhalten hat. Ist dieser nach der Titulierung auf die Zwangsvollstreckung beschränkt, so kommen auch nur die Gebühren in dieser Angelegenheit in Betracht. Anders verhält es sich, wenn ein umfassender Auftrag zur Forderungseinziehung erteilt wurde, der sowohl die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen als auch die (fortgesetzte) außergerichtliche Tätigkeit beinhaltet.
Hinweis
Ohne andere Anhaltspunkte wird von einem umfassenden Forderungseinziehungsauftrag auszugehen sein, da es dem Gläubiger primär um die erfolgreiche Realisierung seiner Forderung gehen wird. Er ist durch das Kostenminderungsgebot hinreichend geschützt. Gleiches gilt für den Schuldner, der nur Kosten unter Beachtung der Schadensminderungspflicht und der Notwendigkeit zu erstatten hat.
AG Norderstedt: Es gibt eine Vollstreckungsgebühr
Das AG Norderstedt (5.3.2021 – 68 M 265/21) hat in einer solchen Situation keine Grundlage für eine (1,3-)Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG gesehen. Es sei davon auszugehen, dass der Rechtsdienstleister (Rechtsanwalt oder Inkassodienstleister) zum Zeitpunkt der Offenlage der Abtretung längst mit der Forderungsdurchsetzung gegen den Schuldner lediglich noch im Rahmen eines reinen Vollstreckungsmandats handele. Dann könnten aber nur noch Vollstreckungsgebühren geltend gemacht werden (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., Nr. 3309 VV Rn 33, 444).
Vollstreckungshandlung/vollstreckungsähnliche Handlung
Mit der Abtretungsanzeige werde lediglich eine Vollstreckungshandlung (ggf. vollstreckungsähnliche Handlung) vorgenommen (vgl. den Fall der Aufforderung zur Auskunftserteilung nach § 840 ZPO, Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., Nr. 3309 VV Rn 216). Sollte der Rechtsdienstleister nicht im Rahmen eines Vollstreckungsmandats gehandelt haben, wäre eine Geschäftsgebühr zwar denkbar. In solchen Fällen werde vielfach aber auch lediglich die verminderte 0,3-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2301 VV RVG in Betracht kommen (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., Nr. 3309 VV Rn 445), was im Ergebnis also auf das Gleiche hinauskomme. Auch ginge es schließlich lediglich um eine Abtretungsanzeige und nicht um die Klärung einer zwischen Parteien in Streit stehenden Angelegenheit. Eine solche Gebühr müsste dann aber möglicherweise auch noch auf eine später entstehende Vollstreckungsgebühr ("Verfahrensgebühr") nach Nr. 3309 VVRVG angerechnet werden, Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG.
Offenlage der Abtretung nichts anderes als eine Pfändung
Für die Entstehung lediglich einer 0,3-Vollstreckungsgebühr spreche auch der Vergleich mit der Vornahme einer direkten Vollstreckungshandlung. Hätte der Schuldner nicht bereits (freiwillig) seine pfändbaren Forderungsteile abgetreten, hätte der Rechtsdienstleister der Gläubigerin für den Zugriff auf die pfändbaren Anteile eine Vollstreckungsmaßnahme beantragen müssen, die ihrerseits wiederum lediglich eine 0,3-Vollstreckungsgebühr gem. Nr. 3309 VV RVG ausgelöst hätte.
Offenlage der Abtretung spart Kosten
Dem AG Norderstedt kann nicht ohne Weiteres widersprochen werden. Die Offenlage der Abtretung auch in der Zwangsvollstreckung entspricht in besonderer Weise der Schadensminderungspflicht, weil damit die Gerichtskosten für den Erlass und die Gerichtsvollzieherkosten für die Zustellung an Drittschuldner und Schuldner erspart werden. Insgesamt sind die Kosten für den Schuldner mit der Offenlage der Abtretung deutlich geringer als beim Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, der neben den zu erstattenden Vergütungsansprüchen des Rechtsdienstleisters des Gläubigers noch erhebliche Gerichts- und Gerichtsvollzieherkosten umfasst.
Hinweis
Insoweit ist der Schuldner durchaus gut beraten, im Rahmen von Zahlungsvereinbarungen zumindest als Sicherheit seine pfändbaren Gehaltsansprüche wie seine Ansprüche auf Auszahlung von Kontoguthaben dem Gläubiger abzutreten, wenn er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Auf die genannten Ansprüche würde dann im Wege der Pfändung ohnehin zugegriffen. Dann ist der Zugriff im Wege der Abtretung aber kostengünstiger, das Ergebnis im Übrigen das Gleiche.
Geschäftsgebühr ist auch denkbar
Wollte man dem AG Norderstedt nicht folgen, ist allerdings auch an eine originäre oder eine erhöhte Geschäftsgebühr zu denken. Eine originäre Geschäftsgebühr kommt nur in Betracht, wenn der Rechtsdienstleister nicht schon vorgerichtlich beauftragt war. In diesem Fall dürfte allerdings kein einfaches Schreiben nach Nr. 2301 VV RVG vorliegen, weil sich – und dies schon allein die Ermäßigung ausschließend – der Auftrag nicht auf ein einfaches Schreiben beschränkt. Auch die Tätigkeit ist hierauf nicht beschränkt, weil die Offenlage der Abtretung auch die Kommunikation mit dem Drittschuldner nach sich zieht. Unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) wäre im Vergleich...