Es entspricht dem üblichen Verlauf der Forderungseinziehung, dass es nach dem Eintritt des Verzuges selten zur unmittelbaren Vollzahlung kommt. Der Schuldner leistet selbstständig Teilzahlungen, es kommt zu Ratenzahlungsvereinbarungen, die nur teilweise erfüllt werden, oder im Wege der Zwangsvollstreckung wird – zwangsweise oder zur Abwendung einer Maßnahme – eine Teilbefriedigung erreicht.
Regeln für die Verrechnung von (Teil-)Zahlungen
In all diesen Fällen muss eine Verrechnung des Zahlungseingangs auf die offene Gesamtforderung erfolgen. Maßgeblich hierfür sind die §§ 366, 367 BGB. Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden:
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§ 366 BGB regelt zunächst den Fall, dass der Schuldner mehrere offene Forderungen aus verschiedenen Schuldverhältnissen hat. Hier gilt das Primat der Leistungsbestimmung des Schuldners, bevor es zu einer gesetzlichen Verrechnungsreihenfolge kommt. |
Im Wortlaut: § 366 BGB
(1) Ist der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet und reicht das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus, so wird diejenige Schuld getilgt, welche er bei der Leistung bestimmt.
(2) Trifft der Schuldner keine Bestimmung, so wird zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig getilgt.
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Ist die Forderung, die getilgt wird, nach Maßgabe des § 366 BGB bestimmt oder gibt es nur eine Forderung, so bestimmt sich die weitere Verrechnung nach § 367 BGB. Dabei wird die Gesamtforderung in den Blick genommen und die Leistungsbestimmung des Schuldners ist sekundär. |
Im Wortlaut: § 367 BGB
(1) Hat der Schuldner außer der Hauptleistung Zinsen und Kosten zu entrichten, so wird eine zur Tilgung der ganzen Schuld nicht ausreichende Leistung zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptleistung angerechnet.
(2) Bestimmt der Schuldner eine andere Anrechnung, so kann der Gläubiger die Annahme der Leistung ablehnen.
Recht und Praxis
Im Rahmen der Verrechnung einer eingehenden Zahlung auf Kosten, Zinsen und Hauptforderung hat der Schuldner also – rechtlich betrachtet – kein unmittelbares Leistungsbestimmungsrecht. In der Praxis sieht dies allerdings ganz anders aus. Der Gläubiger wird nämlich bei einer Leistungsbestimmung des Schuldners – etwa wenn er exakt die Hauptforderung bezahlt – die Zahlung kaum nach Abs. 2 zurückweisen, sondern sie als Zahlung auf diesen Forderungsteil verrechnen.
Hinweis
Allerdings ist die Vorschrift dispositiv (BGH NJW 1984, 2404; BGH NJW-RR 1991, 562). Sie kann also durch vertragliche Vereinbarung geändert werden. So kann die Verrechnungsreihenfolge etwa in einer Ratenzahlungsvereinbarung geregelt werden. Unter Umständen kann eine solche stillschweigende Abrede auch nach Bewirken der Leistung, etwa indem der Schuldner eine abweichend von § 367 Abs. 1 BGB vorgenommene Anrechnung widerspruchlos hinnimmt, erfolgen (MüKo-BGB/Fetzer, 9. Aufl. 2022, BGB § 367 Rn 3). Dies wäre etwa dann der Fall, wenn dem Schuldner nach einer anderen Verrechnung des Gläubigers eine aktuelle Forderungsaufstellung (auch) zur Prüfung übersandt wird. Eine anderweitige Art der Verrechnung wird insbesondere immer dann in Betracht kommen, wenn in einer Zahlungsvereinbarung (auch) eine Verrechnungsreihenfolge vereinbart wurde, der Schuldner also durch eine abweichende Zahlungsbestimmung gegen die Vereinbarung verstößt.
Übersandte Forderungsaufstellung als Ausgangspunkt der Fragestellung
In der Zwangsvollstreckung zeigt sich nun nicht selten für den Gläubiger oder seinen Bevollmächtigten ein Problem, das seine Ursache darin hat, dass die gesamte Forderungsaufstellung mit allen Zahlungseingängen und allen Buchungen von Gebühren und Auslagen dem Vollstreckungsauftrag beigefügt wird.
Hinweis
Werden die Formulare nach der neuen Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung (ZVFV) oder – noch bis Anfang Dezember 2023 – nach der alten Gerichtsvollzieherformular-Verordnung oder der alten Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung (ZVFV) genutzt, ist dies in den meisten Fällen allerdings weder zulässig noch nötig (K. Schmidt/Brinkmann, MüKo-ZPO, § 788 Rn 37). Hier sind nur die Ergebnisse zu übertragen.
Vollstreckungsorgane prüfen bereits durch Verrechnung erfüllte Rechtsverfolgungskosten
Aus der Vorlage der gesamten Forderungsaufstellung werden dann alle bisherigen Kosten der Zwangsvollstreckung ersichtlich. Dies nehmen Vollstreckungsorgane vielfach zum Anlass, alle Positionen einer rechtlichen Kontrolle zu unterziehen. Dabei wird einerseits geprüft, ob die Kosten überhaupt entstanden sind, andererseits, ob und inwieweit diese "notwendig" i.S.d. § 788 ZPO i.V.m. § 91 ZPO waren.
Im Wortlaut: § 788 ZPO
(1) 1Die Kosten der Zwangsvollstreckung fallen, soweit sie notwendig waren (§ 91), dem Schuldner zur Last; sie sind zugleich mit dem zur Zwangsv...