Materiell-rechtlicher Einwand: § 767
Der Einwand der Erfüllung betrifft den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst und ist deshalb grundsätzlich nach § 767 Abs. 1 ZPO mit der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen.
Aber: Präklusion nach § 767 Abs. 2
Der Einwand der Erfüllung ist aber hier nach § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Nach dieser Norm können Einwendungen im Wege der Vollstreckungsgegenklage nur insoweit erhoben werden, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den gesetzlichen Vorschriften spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können. Sind die Gründe, auf denen eine Einwendung beruht, bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden, in der die Einwendung hätte erhoben werden müssen, ist die Einwendung für das Verfahren nach § 767 ZPO danach in jedem Falle präkludiert. Eine andere Auslegung lässt der eindeutige Wortlaut des Gesetzes nicht zu. Dieses Verständnis entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers und dem Zweck der Norm, die Rechtskraftwirkung unanfechtbar gewordener Entscheidungen zu sichern und Verzögerungen im Vollstreckungsverfahren vorzubeugen (BGH NJW 1994, 460).
Präklusion bei VU verschärft
Der Zusatz in § 767 Abs. 2, letzter Halbsatz ZPO, "und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können", verschärft die Präklusion in den Fällen, in denen ein Versäumnisurteil ergangen ist. Dann sind auch solche Einwendungen von der Vollstreckungsgegenklage ausgeschlossen, deren Gründe zwar nach der letzten mündlichen Verhandlung entstanden sind, aber durch Einspruch noch geltend gemacht werden können. Hierauf kommt es im Streitfall aber nicht an, weil die Einwendung bereits vor der dem Urteil zugrunde liegenden mündlichen Verhandlung entstanden ist.
Nachlässige Prozessführung geht zulasten des Schuldners
Die Erwägungen des KG zu den Besonderheiten des Erfüllungseinwands rechtfertigen keine andere Beurteilung. Auch der Einwand der Erfüllung richtet sich gegen die Rechtskraftwirkung eines ergangenen Urteils. Erfüllt ein Schuldner den mit einer Klage geltend gemachten Anspruch seines Gläubigers vor der letzten mündlichen Verhandlung, ist es ihm in gleicher Weise wie bei anderen rechtsvernichtenden Einwendungen zuzumuten, den Einwand noch im laufenden Verfahren zu erheben und dadurch eine Verurteilung zu verhindern. Die Erwartung, der Gläubiger werde von sich aus die prozessualen Konsequenzen aus der eingetretenen Erfüllung ziehen, enthebt den Schuldner nicht der Pflicht, die Einwendung im Prozess vorzutragen.
Hier auch kein Anspruch nach § 826 BGB
Die Klage hat auch mit dem Hilfsantrag, den Beklagten zur Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus dem VU zu verurteilen, keinen Erfolg. Nach gefestigter Rechtsprechung kann ein Gläubiger in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen nach § 826 BGB zur Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen, aber materiell unrichtigen Titel verpflichtet sein, wenn es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre, dass der Titelgläubiger seine formelle Rechtsstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage zu Lasten des Schuldners ausnutzt; dann muss die Rechtskraft zurücktreten (vgl. etwa BGH NJW 1987, 3256; BGH WM 1999, 919; BGH NJW 2002, 2940).
§ 826 BGB hat drei Voraussetzungen: Unrichtigkeit – Kenntnis – besondere Umstände
Dies setzt neben der materiellen Unrichtigkeit des Vollstreckungstitels und der Kenntnis des Gläubigers hiervon zusätzliche besondere Umstände voraus, welche die Erlangung des Vollstreckungstitels oder seine Ausnutzung als sittenwidrig und es als geboten erscheinen lassen, dass der Gläubiger die ihm unverdient zugefallene Rechtsposition aufgibt. Solche besonderen, zur Unrichtigkeit des Vollstreckungstitels hinzutretenden Umstände liegen nicht vor. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beklagten zu dem Zeitpunkt, als er den Erlass des VU beantragte, die Zahlung der Klägerin bereits bekannt war. Er hat deshalb den Titel nicht erschlichen. Zum VU kam es vielmehr aufgrund der Prozessführung der Klägerin. Im Hinblick auf deren nachlässiges Vorgehen (BGH NJW-RR 1988, 957) verletzt die Durchsetzung der titulierten Forderung des Beklagten trotz ihrer bereits erfolgten Erfüllung das Rechtsgefühl nicht in einem solch unerträglichen Maß, dass eine Durchbrechung der Rechtskraft des Urteils gerechtfertigt wäre. Es ist es ohne Bedeutung, ob die Klägerin den bereits gezahlten Betrag wegen Zweckverfehlung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen wieder herausverlangen kann.