Leitsatz

Akzeptiert der Gläubiger ein notarielles Vermögensverzeichnis als Ersatz für eine Vermögensauskunft, ist er zwei Jahre gehindert, eine neue Vermögensauskunft nach § 802c ZPO zu verlangen.

LG Hamburg, 16.11.2013 – 325 T 76/13

1 I. Der Fall

Erst notarielles Vermögensverzeichnis …

Die Gläubigerin vollstreckt aus einem notariellen Schuldanerkenntnis über 1.000.000 EUR. Sie hat vor dem 1.1.2013 einen Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung gestellt. Im Widerspruchsverfahren reichte der Schuldner ein notariell beurkundetes Vermögensverzeichnis ein. Die Gläubigerin erklärte, dass der Schuldner die Angaben aus dem Vermögensverzeichnis ergänzen solle. Dem kam der Schuldner nach. Die Gläubigerin erklärte, dass das Verfahren über den Widerspruch gegen die Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung abgeschlossen sei.

… dann Verlangen nach förmlicher Vermögensauskunft

Am 23.8.2013 beantragte die Gläubigerin, den Schuldner zur Abgabe einer Vermögensauskunft nach neuem Recht zu laden. Dem kam die OGV nach. Der Schuldner wendet sich mit der Erinnerung gegen diese Maßnahme und trägt vor, dass sich die Gläubigerin rechtsmissbräuchlich verhalte, wenn sie nach Akzeptanz der Auskünfte im vorangehenden Verfahren nunmehr erneut eine Vermögensauskunft verlangt. Die Erinnerung wurde vom AG zurückgewiesen.

2 II. Die Entscheidung

LG sieht den Gläubiger gebunden …

Die Gläubigerin ist nach dem auch im Zwangsvollstreckungsrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben und dem hieraus folgenden Verbot widersprüchlichen Verhaltens derzeit gehindert, die Abgabe der Vermögensauskunft vom Schuldner zu verlangen. Der Schuldner hatte im vorangehenden Verfahren ein notariell beglaubigtes Vermögensverzeichnis eingereicht. Zwar stellt ein solches privat gefertigtes Vermögensverzeichnis grundsätzlich keinen Ersatz für die Vermögensauskunft bzw. für die damals gesetzlich angeordnete eidesstattliche Offenbarungsversicherung dar. Die Gläubigerin hätte sich somit in jenem vorangehenden Verfahren auf den Standpunkt stellen können, dass sie an der Fortsetzung des förmlichen Verfahrens zur Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung vor dem Gerichtsvollzieher festhält. Stattdessen hat sie jedoch auf eine Ergänzung der Angaben in dem notariell beglaubigten Vermögensverzeichnis gedrängt. Sie hat damit zu erkennen gegeben, dass sie dieses Vermögensverzeichnis als eine der eidesstattliche Offenbarungsversicherung gleichwertige Auskunft erachtet.

… und schützt den Schuldner

Für die Gläubigerin war erkennbar, dass der Schuldner zu den von ihm gewünschten freiwilligen Auskünften nur dann bereit sein würde, wenn er damit der Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung entgehen könnte. Aufgrund ihrer damaligen Akzeptanz der privaten Vermögensauskunft ist es der Gläubigerin nunmehr nach Treu und Glauben verwehrt, vor Ablauf der in § 802d Abs. 1 ZPO genannten Zweijahresfrist, die nach § 39 Nr. 4 EGZPO auch auf eidesstattliche Offenbarungsversicherungen nach früherem Recht anzuwenden ist, gerechnet ab Erstellung des beglaubigten Vermögensverzeichnisses die Abgabe einer Vermögensauskunft zu verlangen.

3 III. Der Praxistipp

LG übersieht Schutzzweck der ­Vermögensauskunft

Die Entscheidung des LG übersieht den Schutzzweck des Vermögensverzeichnisses und erschöpft ihn nicht. Die Abgabe des Vermögensverzeichnisses führt zur Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis, sofern er nicht den antragstellenden Gläubiger binnen Monatsfrist befriedigt, § 882c ZPO. Die Eintragung im Schuldnerverzeichnis dient dabei auch dem allgemeinen Rechts- und Wirtschaftsverkehr als Schutz vor ungesicherten Geschäften mit einem nicht hinreichend liquiden Schuldner. Diesem Schutzzweck wird ein notarielles Vermögensverzeichnis nicht gerecht.

Notarielles Vermö­gensverzeichnis als Absicherung einer Teil- oder Ratenzahlung

In der Praxis wird dem Schuldner deshalb regelmäßig die Abgabe eines notariellen Schuldverhältnisses nur gestattet, wenn er gleichzeitig mit dem Gläubiger einen Teil- oder Ratenzahlungsvergleich schließt und auch bedient. Das notarielle Vermögensverzeichnis dient dann lediglich der Absicherung, dass die Ratenhöhe den tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen entspricht und bei unrichtigen Angaben daraus ein Anspruch auf Anpassung der Ratenhöhe und ggf. ein Schadensersatzanspruch besteht (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 156 oder § 263 StGB), der in der Vollstreckung (§ 850f Abs. 2) oder der Insolvenz (§ 302 InsO Vorteile erbringt.

Konsequenzen sind weitreichend …

Was das LG auch nicht gesehen, jedenfalls nicht angesprochen hat, sind die Auswirkungen seiner Entscheidung auf den Auskunftsanspruch des Gläubigers nach § 802l ZPO. Da das notarielle Vermögensverzeichnis nicht im Schuldnerverzeichnis eingetragen wird, besteht keine Chance, die Voraussetzungen des § 802l ZPO herzustellen.

… aber Sie können etwas tun!

Der Gläubiger wird sich deshalb gut überlegen müssen, ob er sich auf die vom LG geschilderte Verfahrensweise einlassen soll. Vertretbar erscheint dies nur, wenn der ...

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