I. Das Problem
Schriftliche Anfragen dauern sehr lange
Wir haben derzeit das Problem, dass schriftliche Anfragen nach § 802l ZPO über den Gerichtsvollzieher an das Bundeszentralamt für Steuern etwa 12–16 Wochen dauern. Demgegenüber erhält der Gerichtsvollzieher bei einer elektronischen Abfrage eine unmittelbare Auskunft.
Weisung zur elektronischen Antragstellung?
Wir stellen uns deshalb die Frage, ob der Gerichtsvollzieher nicht verpflichtet ist, eine elektronische Abfrage durchzuführen. Irren wir uns oder kann der Gerichtsvollzieher entsprechend angewiesen werden?
II. Die Lösung
Drittauskünfte: verifiziert mit Überraschungseffekt
Kommt der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nach oder ist bei einer Vollstreckung in die dort aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten, so darf der Gerichtsvollzieher auf Antrag des Gläubigers nach § 802l ZPO
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bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung den Namen, die Vornamen oder die Firma sowie die Anschriften der derzeitigen Arbeitgeber eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses des Schuldners erheben. |
Hinweis
Beachten Sie, dass die Auskunft nur versicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse umfasst, nicht aber eine geringfüge Beschäftigung. Gerade Schuldner mit einem niedrigen Haupteinkommen verfügen aber noch über einen oder sogar mehrere Nebenjobs. Hierzu muss der Schuldner in der Vermögensauskunft nach §§ 802c, d ZPO Auskunft geben. Mehrere Arbeitseinkommen sind dann nach § 850e ZPO auf Antrag des Gläubigers (!) und nach Anordnung des Vollstreckungsgerichtes zusammenzurechnen.
Hinweis
Die Auskunft erfasst nicht nur Giro- und Sparkonten bei Kreditinstituten, sondern auch die Konten bei Bausparkassen. Die Auskunft bietet also einen echten Mehrwert.
Der Vorteil der Drittauskünfte liegt darin, dass der Gläubiger zum einen verifizierte Auskünfte erhält, zum anderen der Schuldner über die Auskunftsermittlung erst verzögert informiert wird, so dass die Vollstreckung auch einen gewissen Überraschungseffekt mit sich bringen kann, der die Chancen auf einen tatsächlichen Zugriff erhöht.
Wertgrenze gefallen – oder doch nicht?
Mit der Reform der Reform der Sachaufklärung (hierzu Goebel, FoVo 2016, 201) wurde die bisherige 500-EUR-Wertgrenze in § 802l Abs. 1 S. 2 ZPO gestrichen. Grundsätzlich können die Auskünfte danach unabhängig von der Höhe der Vollstreckungsforderungen eingeholt werden. Allerdings hat der Gesetzgeber übersehen, dass er die Wertgrenze auch in § 74a Abs. 1 S. 1 SGB X aufgenommen hatte, weshalb bei Auskünften an den Träger der Rentenversicherung die Wertgrenze weiter erheblich bleibt, bis der Gesetzgeber seinen Fehler korrigiert hat.
Pflicht zur Einholung der Auskünfte
Hat der Gläubiger den Gerichtsvollzieher mit der Anfrage beauftragt und sind die weiteren Voraussetzungen erfüllt, so hat dieser die Auskunft einzuholen. Ein Ermessen hinsichtlich des "Ob" steht dem GV nicht zu (BR-Drucks 304/08, S. 76).
Keine Vorschrift zum "Wie"
Das sagt aber noch nichts über das "Wie". Weder § 802l ZPO sagt hierzu etwas aus, noch gibt § 141 der Gerichtsvollziehergeschäftsanweisung (GVGA) dazu etwas her. Die GVGA wiederholt nur den Gesetzestext.
Dass es keine ausdrückliche Regelung zur Form gibt, ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass der Gerichtsvollzieher völlig frei entscheiden könnte. Vielmehr steht die Entscheidung in seinem "pflichtgemäßen Ermessen". Er muss also alle Aspekte des Einzelfalles – erkennbar – würdigen.
Checkliste: Aspekte der Ermessensausübung
Der Gerichtsvollzieher wird in seine Ermessensentscheidung folgende Aspekte einzubeziehen haben, zu den der Gläubiger nötigenfalls auch etwas im Gerichtsvollzieherauftrag ausführen sollte. Zu berücksichtigen sind
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der Umstand, dass der Gläubiger auf die Realisierung der Forderung zum eigenen Unterhalt angewiesen ist, |
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die Art der Forderung, etwa soweit diese als Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung nach § 850f Abs. 2 ZPO oder als Unterhaltsforderung nach § 850d ZPO privilegiert vollstreckt werden kann, |
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die eigenen technischen Möglichkeiten des Gerichtsvollziehers, |
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Weisungen des Gläubigers nach §§ 31 Abs. 2, 58 Abs. 2 GVGA. |
Hinweis
Ist der Gerichtsvollzieher technisch gar nicht in der Lage, die Auskünfte elektronisch einzuholen, stellt sich die Frage nach dem "Muss" nicht ernsthaft. Im Hinblick auf den am 1.1.2018 zu gewährleistenden elektronischen Rechtsverkehr und die inzwischen geschaffene Möglichkeit der elektronischen Antragstellung in § 754a ZPO wird die Zurückweisung des Ansinnens mangels technischer Möglichkeiten immer seltener vorkommen.
Musterformulierung zum Antrag
Im Modul O kann...