Leitsatz
Fehlt es bei der Anordnung des Zwangsverwaltungsverfahrens an einer wirksamen Zustellung des Vollstreckungstitels, kann der Mangel durch Nachholung der Zustellung geheilt werden, sofern die übrigen Voraussetzungen für die Anordnung der Zwangsverwaltung weiterhin vorliegen.
BGH, Beschl. v. 27.10.2016 – V ZB 48/15
1 I. Der Fall im Überblick
Vollstreckung gegen eine GbR mit ausländischen Gesellschaftern
Die Schuldnerin ist eine GbR mit mehreren Gesellschaftern, wovon einer in Mexiko und ein weiterer in Israel lebt. Sie war von 2005 bis 2006 Eigentümerin eines Grundstücks, das sie 2006 an die S-Hotel Grundbesitz GmbH amp Co. Vermietungs KG übertrug. Die Gläubigerin ist Inhaberin einer auf dem Grundstück lastenden Grundschuld von 13 Mio. EUR. Die Gläubigerin stellte zunächst der Grundbesitz-GmbH amp Co. KG den Vollstreckungstitel zu, worauf diese den Grundbesitz auf die GbR, vertreten durch den Gesellschafter O – im Besitz von Generalvollmachten der übrigen Gesellschafter – zurück übertrug, dem dann ebenfalls der Vollstreckungstitel zugestellt wurde. Auf Antrag der Gläubigerin wurde sodann die Zwangsverwaltung gegen die GbR in das Grundstück angeordnet.
Das Problem: Wurde der Titel richtig zugestellt?
Auf die Erinnerung der Schuldnerin wurde der Beschluss des AG, bestätigt durch das LG aufschiebend durch seine Rechtskraft, aufgehoben. Nach dem Vortrag der Schuldnerin sei keine ordnungsgemäße Zustellung des Vollstreckungstitels erfolgt, weil die Generalvollmachten zum Zustellungszeitpunkt schon wiederrufen gewesen seien. Die Gläubigerin habe nichts anderes bewiesen.
Das Problem: Heilung durch nachträgliche Zustellung?
Durch die im Beschwerdeverfahren erfolgte Zustellung an den Gesellschafter in Israel sei eine Heilung des Zustellungsmangels nicht eingetreten. Gegen eine solche Heilung bestünden im Verfahren der Zwangsverwaltung ohnehin erhebliche Bedenken, die jedoch dahinstehen könnten. Denn die Zustellung müsse an den in Mexiko wohnhaften Gesellschafter erfolgen, nachdem die Schuldnerin einen Gesellschafterbeschluss über dessen Bestellung zum alleingeschäftsführenden Gesellschafter vorgelegt habe. Dies sei zwar zu einem auffällig späten Zeitpunkt im Verfahren geschehen, aber die Gläubigerin habe nichts Gegenteiliges beweisen können.
2 II. Aus der Entscheidung/Der Praxistipp
BGH hilft dem Gläubiger bei der Beweislast
Wer den Sachverhalt liest, der kann erfassen, in welcher Not die Gläubigerin sich sieht. Die Vollstreckung soll ersichtlich ver- oder jedenfalls behindert werden. Aber der BGH hilft und ändert die Entscheidung der Vorinstanzen. Die Feststellungen des LG tragen die Beweislastentscheidung zum Nachteil der Gläubigerin nicht. Die bislang getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um das Bestehen der Vollmacht im Zeitpunkt der Zustellung zu beurteilen.
Hinweis
Der BGH hat dazu in einem Parallelverfahren zwischen den gleichen Parteien entschieden, dass sich aus dem bürgerlichen Recht ergibt, ob der Zustellungsempfänger rechtsgeschäftlich bestellter Vertreter im Sinne von § 171 ZPO ist. Steht fest, dass eine Vollmacht erteilt worden ist, die zu der Entgegennahme von Zustellungen berechtigt, muss nach den allgemeinen Regeln der Beweislastverteilung derjenige das Erlöschen der Vollmacht beweisen, der sich darauf beruft (BGH NJW-RR 2017, 58).
Der Gläubiger kann sich schützen
Aus dieser Sicht der Dinge folgt, dass der Grundpfandgläubiger sich schon bei der Bestellung der Sicherheit schützen kann, in dem er für den jeweiligen Eigentümer des Grundbesitzes nur bedingt widerruflich einen Zustellungsbevollmächtigten bestimmen lässt und einen Widerruf nur für den Fall zulässt, dass in gleicher Weise ein anderer Zustellungsbevollmächtigter bestellt wird.
BGH hilft dem Gläubiger bei der Heilung
Kann die Unwirksamkeit der durch widerrufene Vollmacht vermittelten Zustellung in dieser Weise vom Schuldner nachgewiesen werden, ist der Gläubiger gehalten, die Zustellung des Vollstreckungstitels als Voraussetzung der Zwangsvollstreckung erneut zu versuchen. Das hatte die Gläubigerin im konkreten Verfahren versucht, ohne dass der BGH dies berücksichtigen durfte. Er hat zu dieser Prüfung die Sache zurückverwiesen. Allerdings war das nur deshalb erheblich, weil eine Heilung des Zustellungsmangels relevant war. Das ist bisher nicht unumstritten gewesen.
Mangel der Zustellung macht Vollstreckung nur anfechtbar
Die gegen die Möglichkeit einer Heilung gerichteten Bedenken sind unbegründet. Fehlt es bei der Anordnung des Zwangsverwaltungsverfahrens an einer wirksamen Zustellung des Vollstreckungstitels, kann der Mangel durch Nachholung der Zustellung geheilt werden, sofern die übrigen Voraussetzungen für die Anordnung der Zwangsverwaltung weiterhin vorliegen (BGH NJW-RR 2013, 18; ebenso für Mängel der Zustellung des Anordnungsbeschlusses, BGHZ 187, 344). Insoweit gilt nichts anderes als im Zwangsversteigerungsverfahren (BGH NJW-RR 2014, 400 Rn 7 m.w.N.).
Allgemein macht die entgegen § 750 Abs. 1 ZPO fehlende Zustellung eine Vollstreckungsmaßnahme nur anfechtbar, und zwar gerade deshalb, weil ein solcher Mangel dur...