Nicht mit dem AG Speyer
Das AG Speyer (11.9.2017 – 32 C 23/17) hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob in der Zwangsvollstreckung eine 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG für die Androhung der Zwangsvollstreckung geltend gemacht werden kann. Es verneint die Frage.
Die Grundsätze
Kosten von Beitreibungsmaßnahmen und damit auch hier einhergehende gesetzliche Gebühren und Auslagen, die der Gläubiger im Zeitpunkt der Entstehung der Kosten objektiv für notwendig halten konnte, sind nach Ansicht des AG nach § 788 ZPO ersatzfähig. Kosten offenbar aussichtsloser, mutwilliger oder vom Gläubiger zu vertretender verfehlter Zwangsvollstreckungsmaßnahmen trägt der Gläubiger dagegen selbst. Das AG folgte der Auffassung des Schuldners nicht, dass nach Titulierung einer Forderung gegenüber einem beschränkt zahlungsfähigen Schuldner Maßnahmen eines Inkassounternehmens – insbesondere solche zur Erreichung der Abgabe einer Vermögensauskunft bzw. Eintragung in das zentrale Schuldenregister – von vornherein aussichtslos und damit nicht erstattungsfähig sind. Daher dürfe es dem Gläubiger auch nicht verwehrt sein, Beitreibungsmaßnahmen zu ergreifen und dazu auch ein Inkassounternehmen zu beauftragen.
Unzulässig: 1,3-Geschäftsgebühr für Vollstreckungsandrohung
Die von der Beklagten geforderten Inkassokosten waren nach Ansicht des AG jedoch vom RVG nicht gedeckt und daher nicht erstattungsfähig. Eine 1,3-Geschäftsgebühr analog Nr. 2300 VV RVG falle für eine Androhung einer Vollstreckung nach Titulierung der Forderung nicht an. Die Ansicht der Gläubigerin, es gebe nach Titulierung einer Forderung Tätigkeiten eines Inkassobüros, die nicht der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung dienen und daher eine 1,3-Gebühr auslösen können, ist mit der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar.
Hinweis
Ist die Forderung tituliert, so fällt grundsätzlich für jede Vollstreckungsmaßnahme (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG) eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG an. Diese schließt die schriftliche Androhung der Zwangsvollstreckung ein. Es ist also tatsächlich verfehlt, vor dem Hintergrund der Zwangsvollstreckung eine 1,3-Geschäftsgebühr anzusetzen.
Entscheidung muss für den Schuldner nicht vorteilhaft sein
Die Gefahr für den Schuldner: Wird regelmäßig eine Vollstreckungsmaßnahme eingeleitet, können sich die Verfahrensgebühren schnell über einer 1,3- oder auch 2,5-Gebühr bewegen. Schon bei mehr als vier Vollstreckungsmaßnahmen wird die Schwellengebühr überschritten, bei mehr als acht Vollstreckungsmaßnahmen die 2,5-Gebühr. Bei einer (unbegrenzten) Vollstreckungsmöglichkeit von mehr als 30 Jahren – die durch jede Vollstreckungsmaßnahme nach § 212 Abs. 1 BGB verlängert wird – ist eine solche Vielzahl von Vollstreckungsmaßnahmen aber keine Seltenheit. Es kann deshalb durchaus ein Akt der Schadensminderung im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB sein, wenn der Gläubiger ausgehend von einer mangelnden Erfolgsaussicht der Vollstreckung den Schuldner außergerichtlich zu motivieren sucht, im Rahmen seiner Möglichkeiten Leistungen auf die Forderung zu erbringen. Das übersieht die Kritik von Jäckle (VuR 20 17, 476).
Hinweis
An dieser Art des Vorgehens fehlte es aber wohl beim Gläubiger im konkreten Einzelfall. Dann darf er nämlich auch nicht mit der Vollstreckung drohen. Sobald er dies tut, bewegt er sich allein im Regime der Nr. 3309 VV RVG.
Anwendungsbereich des § 788 ZPO sehen
Geht der Gläubiger in dieser Weise außergerichtlich vor, so kann es ihm nicht verwehrt werden, die Zwangsvollstreckung zu betreiben, wenn sich eine neue – ex ante nicht absehbare – Situation ergibt. Nach dem BGH ist die Frage, welches Vorgehen zweckmäßig und erforderlich ist, nämlich aus der Ex-ante-Sicht zu beurteilen. Stellt sich die Situation dann ex post abweichend dar, kann dies die Gebühr nicht entfallen lassen. Es ist aber zu sehen, dass die Geschäftsgebühr dann gerade nicht im Kontext der Zwangsvollstreckung entstanden ist und deshalb auch nicht nach § 788 ZPO mit beigetrieben werden kann. Vielmehr besteht nur ein materiell-rechtlicher Ersatzanspruch.
Hinweis
Kommt es zu Zahlungen des Schuldners, ohne dass dieser eine konkrete Zahlungsbestimmung trifft, ist die Zahlung nach §§ 366, 367 BGB allerdings prioritär auf diese Forderung zu verrechnen, weil sie untituliert früher verjährt und deshalb weniger Sicherheit bietet als die titulierte Forderung, § 195 BGB einerseits und § 197 BGB andererseits.