Leitsatz
Bedient der Schuldner nachweislich von ihm zuvor in einem Vermögensverzeichnis angegebene Kunden nicht mehr, ist er zur wiederholten Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auch vor Ablauf der Schutzfrist des § 903 ZPO verpflichtet.
AG Nienburg/Weser, 6.4.2011 – 15 M 172/11
1 I. Der Fall
Schuldner bedient zwei angegebene Kunden nicht mehr
Der Schuldner hat in seinem Vermögensverzeichnis angegeben, als selbständiger Kaufmann tätig zu sein. Seiner Verpflichtung folgend, sein gesamtes Vermögen zu offenbaren, hat er die von ihm bedienten Kunden angegeben. Der Gläubiger hat glaubhaft gemacht, dass der Schuldner zwei der genannten Kunden nicht mehr bedient, und verlangt auf dieser Grundlage die erneute Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Dies verweigert der Schuldner unter Verweis auf die noch nicht abgelaufene dreijährige Wartefrist nach § 903 ZPO.
2 II. Die Entscheidung
Voraussetzungen für wiederholte e.V. liegen vor
Das AG ist der Argumentation des Schuldners nicht gefolgt. Wenn glaubhaft gemacht sei, dass der Schuldner einzelne in seiner ursprünglichen eidesstattlichen Versicherung angegebenen Kunden nicht mehr bediene, sei er verpflichtet, sich neu zu erklären, wovon er seinen Lebensunterhalt bestreite. Der Schuldner sei nicht anders zu behandeln als ein Schuldner, der seinen Arbeitsplatz gewechselt hat, oder ein Handelsvertreter, der nicht mehr für die bisherigen Kunden arbeitet.
3 III. Der Praxistipp
Die besondere Herausforderung: der selbständige Schuldner
Ist der Schuldner selbstständig, fällt es dem Gläubiger in besonderer Weise schwer, auf dessen unregelmäßige Einkünfte zuzugreifen. Erhält der Gläubiger Kenntnis von einem Drittschuldner, ist dessen Verpflichtung gegenüber dem Schuldner meist schon erfüllt. Die Pfändung läuft dann ins Leere. Der Gläubiger muss deshalb sein Augenmerk auf die zukünftigen Erwerbschancen des Schuldners legen, das heißt potenziell pfändbare künftige Forderungen ermitteln. Auch hierzu dient das Offenbarungsverfahren.
Schuldner muss Kunden angeben
Die Auskunftsverpflichtung nach § 807 ZPO erstreckt sich auch auf künftige Forderungen des Schuldners. Künftige Forderungen können Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein. Sie können gepfändet werden, sofern der Rechtsgrund und der Drittschuldner der Forderung im Zeitpunkt der Pfändung hinreichend bestimmt sind (st. Rspr.; BGH FoVo 2011, 92; BGHZ 53, 29; BGH NJW-RR 1989, 286; BGH NJW 2003, 1457; BGH NJW 2004, 369, 370). Bei künftigen Forderungen eines selbstständig tätigen Schuldners ist diese Voraussetzung allerdings regelmäßig nur bei einer laufenden Geschäftsbeziehung erfüllt, bei der die begründete Erwartung besteht, der Schuldner werde auch künftig Aufträge von seinen bisherigen Kunden erhalten. In einem solchen Fall bestehen grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken, die Auskunftsverpflichtung auf die Geschäftsvorfälle der letzten zwölf Monate zu erstrecken (BGH NJW-RR 2011, 851 = FoVo 2011, 92; Zöller-Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 807 Rn 28).
So entsteht Vollstreckungsdruck
Primäres Ziel des Offenbarungsverfahrens ist es selbstverständlich, Informationen über zugriffsfähiges Vermögen zu erhalten und dann im Wege der Sach- oder Forderungspfändung hierauf zuzugreifen. Leider zeigt die Praxis, dass Kunden, bei denen eine Pfändung ausgebracht wird, den Schuldner jedenfalls offiziell nicht erneut beauftragen. In gleicher Weise nimmt der Schuldner solche Aufträge nicht an, bei denen er aufgrund der Pfändung davon ausgehen muss, dass er nicht nur den Gewinn nicht realisieren kann, sondern dass auch seine eigenen Aufwendungen nicht refinanziert werden. Genau hierin liegt aber auch das Problem des selbständigen Schuldners. Jede Pfändung des Gläubigers lässt seinen potenziellen Markt schrumpfen. Dabei wird der Schuldner die negative Mund-zu-Mund-Werbung unterschätzen. Die konsequente Beantragung der vorzeitig zu wiederholenden eidesstattlichen Versicherung bereitet damit den Boden für eine gütliche Einigung mit dem Schuldner, die eine zumindest ratenweise Zurückführung der Verbindlichkeit erlaubt.