Leitsatz
Im Erinnerungsverfahren nach § 766 ZPO ist der Einwand des Schuldners grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle habe die der Vollstreckung zugrunde liegende Klausel nach §§ 724, 725 ZPO zu Unrecht ohne die gem. § 726 Abs. 1 ZPO erforderlichen Nachweise erteilt.
BGH, 12.1.2012 – VII ZB 71/09
1 I. Der Fall
Vollstreckung wegen der Vorlage von Unterlagen, ersatzweise Zahlung
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Prozessvergleich und einem KFB. In dem Vergleich hatte sich die Schuldnerin u.a. dazu verpflichtet, der Gläubigerin von dieser zu bezeichnende Unterlagen spätestens bis zum 1.10.2008 zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sollte die Schuldnerin bis zum 1.9.2008 Bürgschaftsurkunden herausgeben. Für den Fall der nicht fristgerechten Vornahme dieser Handlungen verpflichtete sich die Schuldnerin, 6.379,99 EUR (Unterlagen) und 1.497,17 EUR (Bürgschaftsurkunden) an die Gläubigerin zu zahlen.
PfÜB nach Fristablauf …
Am 26.8.2008 wurde der Gläubigerin eine mit Vollstreckungsklausel nach § 725 ZPO versehene Ausfertigung des Vergleichs erteilt. Anschließend wurde auch der KFB mit Klausel zugestellt. Wegen der vorbezeichneten Zahlungsansprüche erließ das AG am 21.10.2008 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem Forderungen der Schuldnerin gegen die D. Bank gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen wurden.
… wogegen die Schuldnerin sich wehrt
Gegen den Erlass des PfÜB wendet sich die Schuldnerin. Es fehle an einem vollstreckungsfähigen Titel und der mit der richtigen Klausel versehenen Zustellung Die Klausel habe nur erteilt werden dürfen, wenn der Beweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde geführt worden sei.
2 II. Die Entscheidung
BGH: kein Verfahrensfehler beim Erlass des PfÜB
Die Schuldnerin hat keine im Verfahren nach § 766 ZPO zu berücksichtigenden Anträge, Einwendungen oder Erinnerungen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung vorgebracht, nach denen der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht hätte erlassen werden dürfen.
Eine gem. § 726 Abs. 1 ZPO erforderliche qualifizierte Vollstreckungsklausel musste schon deshalb nicht erteilt werden, weil der KFB nicht von einer Bedingung abhing.
Einwendungen sind auch unerheblich
Wegen der im Vergleich titulierten Zahlungsansprüche kommt es für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des PfÜB nicht darauf an, ob die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs statt mit der unstreitig nach § 725 ZPO erteilten Klausel mit einer qualifizierten Vollstreckungsklausel gem. § 726 Abs. 1 ZPO hätte versehen werden müssen. Denn die in Rede stehende Vollstreckungsmaßnahme war selbst dann nicht rechtswidrig im Sinne des § 766 ZPO, wenn ihre Zahlungsverpflichtungen nach dem Vergleich von Vorleistungen der Gläubigerin abhängig waren, deren Erfüllung diese gem. § 726 Abs. 1 ZPO vor der Erteilung einer entsprechenden Vollstreckungsklausel durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden hätte beweisen müssen.
Welche Wirkung hat die vom UdG falsch erteilte Klausel: Unwirksamkeit …
In Rechtsprechung und Literatur wird die Auffassung vertreten, dass eine Vollstreckungsklausel, die entgegen § 726 Abs. 1 ZPO, § 20 Nr. 12 RPflG nicht vom Rechtspfleger, sondern vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 724 Abs. 2 ZPO) erteilt wird, unwirksam ist und – was bei der Vollstreckung zu berücksichtigen wäre – nicht Grundlage für eine ordnungsgemäße Vollstreckung sein kann (OLG Hamm MDR 1987, 682; KG JurBüro 1999, 601, 602; OLG München JurBüro 2001, 438, 439; LG Detmold Rpfleger 1996, 19; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 726 Rn 7; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 32. Aufl., § 724 Rn 5; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 726 Rn 3; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 9. Aufl., Rn 106).
… oder nur Anfechtbarkeit?
Nach der Gegenmeinung ist eine solche Klausel zwar fehlerhaft und anfechtbar, nicht aber unwirksam (OLG Zweibrücken MDR 1997, 593; OLG Koblenz NJW 1992, 378, 379; LG Kassel JurBüro 1986, 1255; AG Oldenburg DGVZ 1989, 142; Musielak/Lackmann, ZPO, 8. Aufl., § 726 Rn 4; Schuschke/Walker, ZPO, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 726 Rn 18; MüKoZPO/Wolfsteiner, 3. Aufl., § 724 Rn 15). Die Vollstreckung aufgrund einer in diesem Sinne fehlerhaften Klausel sei bis zu ihrer Beseitigung deshalb rechtmäßig und könne nicht im Verfahren nach § 766 ZPO angefochten werden. Einwendungen des Schuldners, welche die materielle Zulässigkeit der erteilten Klausel betreffen, seien vielmehr im Wege der Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) geltend zu machen (OLG Hamm FamRZ 1981, 199, 200; OLG Koblenz, a.a.O.; OLG Frankfurt JurBüro 1976, 1122; Schuschke/Walker, a.a.O.).
Der BGH hat diese Frage bisher offen gelassen und lediglich im Rahmen eines Klauselerinnerungsverfahrens die Zwangsvollstreckung auf der Grundlage einer vom funktional unzuständigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erteilten Vollstreckungsklausel für unzulässig gehalten (BGH NJW 2006, 776; vgl. auch BAG NJW 2004, 701). Der Senat hält die zuletzt genannte ...