BGH sieht keinen Verstoß gegen den Formularzwang
Der Antrag auf Erlass des PfÜB kann nicht mit der vom LG gegebenen Begründung, er sei nicht formgerecht eingereicht worden, als unzulässig zurückgewiesen werden.
Grundsätzlicher Formularzwang
Gemäß § 829 Abs. 4 Satz 1 ZPO wird das Bundesministerium der Justiz (BMJ) ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für den Antrag auf Erlass eines PfÜB einzuführen. Soweit nach Satz 1 Formulare eingeführt sind, muss sich der Antragsteller ihrer bedienen, § 829 Abs. 4 Satz 2 ZPO. Am 1.9.2012 ist die Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung (ZVFV) in Kraft getreten (BGBI I 2012, 1822). Das verbindlich zu nutzende Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 ZVFV enthält insbesondere in Bezug auf die Eintragung des zu vollstreckenden Anspruchs sowie auf die zu pfändenden Forderungen unveränderbare Vorgaben, aufgrund derer das Ausfüllen des Antragsformulars dem Antragsteller Schwierigkeiten bereiten kann.
Gläubiger wird beeinträchtigt …
Hierdurch kann das Begehren des Vollstreckungsgläubigers, im Rahmen der Forderungspfändung zügig ein Pfändungspfandrecht zu erwerben, beeinträchtigt werden. Er unterliegt insbesondere der Gefahr, dass seinem Antrag wegen der Beanstandung des Vollstreckungsgerichts nicht sofort, sondern erst nach Änderungen stattgegeben wird und dadurch möglicherweise das Pfandrecht wegen des vorigen Zugriffs anderer Gläubiger entwertet wird.
… so dass sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit stellt
Die sich hieraus ergebende Einschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gibt dem BGH zunächst Anlass, die Verfassungsgemäßheit der den Formularzwang regelnden Normen zu prüfen. Die Garantie effektiven Rechtsschutzes ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaats. Der allgemeine Justizgewährungsanspruch umfasst das Recht auf Zugang zu den Gerichten, die Prüfung des Streitbegehrens in einem förmlichen Verfahren sowie die verbindliche gerichtliche Entscheidung (BVerfG NJW 2003, 1924). Er bedarf allerdings der gesetzlichen Ausgestaltung. Dabei kann der Gesetzgeber auch Regelungen treffen, die für ein Rechtsschutzbegehren besondere formelle Voraussetzungen aufstellen und sich dadurch für den Rechtsuchenden einschränkend auswirken.
Dem Gesetzgeber sind Grenzen gesetzt!
Solche Einschränkungen müssen aber mit den Belangen einer rechtsstaatlichen Verfahrensordnung vereinbar sein und dürfen den einzelnen Rechtsuchenden nicht unverhältnismäßig belasten. Darin findet die Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers zugleich ihre Grenze. Der Rechtsweg darf nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe der genannten Art nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfG NJW 1993, 1635; BVerfG NJW 1982, 2425; BGH NVwZ-RR 2011, 871). Dazu, einer Überlastung der Rechtspflege vorzubeugen, die insgesamt den effektiven Rechtsschutz beeinträchtigen würde, und zur Wahrung der Rechtssicherheit können Formerfordernisse dienen, sofern sie geeignet sind, die prozessuale Lage für alle Beteiligten rasch und zweifelsfrei zu klären. Wie der Widerstreit zwischen Rechtssicherheit und Verfahrensbeschleunigung einerseits und dem subjektiven Interesse des Rechtsuchenden an einem möglichst uneingeschränkten Rechtsschutz andererseits zu lösen ist, ist Sache des Gesetzgebers. Dieser muss die betroffenen Belange angemessen gewichten und in Bezug auf den einzelnen Rechtsuchenden den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Die Formerfordernisse dürfen nicht weiter gehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, und es darf von dem Rechtsuchenden nichts Unzumutbares verlangt werden (BVerfG NJW 1993, 1635).
Deshalb: Formularzwang gilt nicht uneingeschränkt
Gemessen hieran würde der allgemeine Justizgewährungsanspruch in verfassungswidriger Weise eingeschränkt, wenn der gesetzlich geregelte Formularzwang so zu verstehen wäre, dass die Formulare ohne Einschränkung zu verwenden wären. Mit dem Formularzwang wird insbesondere eine Entlastung der Vollstreckungsgerichte bezweckt. Durch die Vereinheitlichung der Antragsformulare soll die Effizienz bei der Bearbeitung der Anträge bei Gericht gesteigert werden (vgl. BT-Drucks 13/341, S. 11; BR-Drucks 326/12, S. 1). Die Umsetzung dieses in Anbetracht der Vielschichtigkeit der Forderungspfändung anspruchsvollen gesetzgeberischen Anliegens durch die verbindliche Vorgabe des Formulars gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 ZVFV schränkt den Anspruch des Rechtsuchenden auf effektiven Rechtsschutz unverhältnismäßig ein.
Formularzwang ist unvollständig, widersprüchlich und missverständlich!
Das vorgegebene, verbindlich zu nutzende Formular ist an mehreren Stellen unvollständig und zum Teil widersprüchlich sowie missverständlich. Zudem weist es in Teilbereichen rechtliche Unzulänglichkeiten auf. Die Erläuterungen zum Ausfüllen des Formulars in dem Internetauftritt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz "Fragen und Antworten: neue Formulare für die Zwangsvollstreckung" sind dies...