Leitsatz
Die den Formularzwang für Anträge auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses regelnden Rechtsnormen können verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass der Gläubiger vom Formularzwang entbunden ist, soweit das Formular unvollständig, unzutreffend, fehlerhaft oder missverständlich ist.
In diesen seinen Fall nicht zutreffend erfassenden Bereichen ist es nicht zu beanstanden, wenn er in dem Formular Streichungen, Berichtigungen oder Ergänzungen vornimmt oder das Formular insoweit nicht nutzt, sondern auf beigefügte Anlagen verweist.
Ein Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist nicht formunwirksam, wenn sich der Antragsteller eines Antragsformulars bedient, das im Layout geringe, für die zügige Bearbeitung des Antrags nicht ins Gewicht fallende Änderungen enthält.
Ein Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist nicht formunwirksam, weil das Antragsformular nicht die in dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 ZVFV enthaltenen grünen Elemente aufweist.
BGH, 13.2.2014 – VII ZB 39/13
1 I. Der Fall
Pfändung mit PfÜB-Formular
Die Gläubigerin begehrt den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB) wegen einer durch Vollstreckungsbescheid titulierten Forderung von rd. 300 EUR.
Sie möchte in die Ansprüche des Schuldners gegenüber dessen Kreditinstitut pfänden. Hierzu hat die Gläubigerin ein Antragsformular genutzt, welches nicht vollständig mit dem nach Anlage 2 zu § 2 der Verordnung über Formulare für Zwangsvollstreckung (Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung – ZVFV) vorgegebenen Formular übereinstimmt.
Änderungen gegenüber dem verbindlichen Formular
Die Darstellung der einzelnen Rahmen, die Zeilen- und Seitenrandabstände sowie die Länge der Textlinien weichen teilweise vom Originalformular ab. Zudem hat die Gläubigerin auf Seite 3 des Formulars keine Eintragung zur Forderungshöhe vorgenommen, sondern ausschließlich auf eine als Anlage beigefügte Forderungsaufstellung verwiesen. Das Formular wurde in Schwarz-Weiß und ohne die grünen Balken eingereicht.
Das AG hat nach vorherigem Hinweis den Antrag auf Erlass eines PfÜB zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben, so dass die Gläubigerin die rechtsgrundsätzlichen Fragen vom BGH geklärt haben wollte.
2 II. Die Entscheidung
BGH sieht keinen Verstoß gegen den Formularzwang
Der Antrag auf Erlass des PfÜB kann nicht mit der vom LG gegebenen Begründung, er sei nicht formgerecht eingereicht worden, als unzulässig zurückgewiesen werden.
Grundsätzlicher Formularzwang
Gemäß § 829 Abs. 4 Satz 1 ZPO wird das Bundesministerium der Justiz (BMJ) ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für den Antrag auf Erlass eines PfÜB einzuführen. Soweit nach Satz 1 Formulare eingeführt sind, muss sich der Antragsteller ihrer bedienen, § 829 Abs. 4 Satz 2 ZPO. Am 1.9.2012 ist die Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung (ZVFV) in Kraft getreten (BGBI I 2012, 1822). Das verbindlich zu nutzende Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 ZVFV enthält insbesondere in Bezug auf die Eintragung des zu vollstreckenden Anspruchs sowie auf die zu pfändenden Forderungen unveränderbare Vorgaben, aufgrund derer das Ausfüllen des Antragsformulars dem Antragsteller Schwierigkeiten bereiten kann.
Gläubiger wird beeinträchtigt …
Hierdurch kann das Begehren des Vollstreckungsgläubigers, im Rahmen der Forderungspfändung zügig ein Pfändungspfandrecht zu erwerben, beeinträchtigt werden. Er unterliegt insbesondere der Gefahr, dass seinem Antrag wegen der Beanstandung des Vollstreckungsgerichts nicht sofort, sondern erst nach Änderungen stattgegeben wird und dadurch möglicherweise das Pfandrecht wegen des vorigen Zugriffs anderer Gläubiger entwertet wird.
… so dass sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit stellt
Die sich hieraus ergebende Einschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gibt dem BGH zunächst Anlass, die Verfassungsgemäßheit der den Formularzwang regelnden Normen zu prüfen. Die Garantie effektiven Rechtsschutzes ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaats. Der allgemeine Justizgewährungsanspruch umfasst das Recht auf Zugang zu den Gerichten, die Prüfung des Streitbegehrens in einem förmlichen Verfahren sowie die verbindliche gerichtliche Entscheidung (BVerfG NJW 2003, 1924). Er bedarf allerdings der gesetzlichen Ausgestaltung. Dabei kann der Gesetzgeber auch Regelungen treffen, die für ein Rechtsschutzbegehren besondere formelle Voraussetzungen aufstellen und sich dadurch für den Rechtsuchenden einschränkend auswirken.
Dem Gesetzgeber sind Grenzen gesetzt!
Solche Einschränkungen müssen aber mit den Belangen einer rechtsstaatlichen Verfahrensordnung vereinbar sein und dürfen den einzelnen Rechtsuchenden nicht unverhältnismäßig belasten. Darin findet die Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers zugleich ihre Grenze. Der Rechtsweg darf nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe der genannten Art nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwer...