Leitsatz
1. Das Erfordernis der eindeutigen Bezeichnung der Schuldner im Vollstreckungstitel oder in der Vollstreckungsklausel gemäß § 750 Abs. 1 ZPO besteht auch dann, wenn die Räumungsvollstreckung ein rechtswidrig besetztes Grundstück betrifft und es dem Gläubiger im Erkenntnisverfahren ohne polizeiliche Hilfe nicht möglich ist, die Schuldner namentlich zu bezeichnen.
2. Der Verzicht auf das Erfordernis einer sicheren Identifizierung des Schuldners aufgrund der Bezeichnung im Vollstreckungstitel oder in der Vollstreckungsklausel ist nicht deshalb geboten, weil der Eigentümer ansonsten vollständig rechtlos gestellt wäre. Eine Räumung gegenüber Hausbesetzern kann vielmehr nach dem Polizei- und Ordnungsrecht erfolgen.
BGH, Beschl. v. 13.7.2017 – I ZB 103/16
1 I. Der Fall
Räumung eines rechtswidrig besetzten Grundstückes
Die Gläubigerin betreibt auf der Grundlage einer einstweiligen Verfügung die Räumung eines von den Schuldnern rechtswidrig besetzten Hausgrundstücks. Auf Antrag der Gläubigerin erließ das LG eine einstweilige Verfügung, mit welcher den Schuldnern zu 1 und 2 unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben wurde, ein Grundstück zu räumen, herauszugeben und der Gläubigerin wieder zugänglich zu machen. Gleichzeitig wurde den Schuldnern jede Begehung und Befahrung verboten.
Eigenwillige Bezeichnung der Schuldner
Im Rubrum der einstweiligen Verfügung ist der Schuldner zu 2 mit seinem Namen und seiner Anschrift aufgeführt. Die Schuldner zu 1 sind wie folgt bezeichnet: "Eine Anzahl von 40 männlichen und weiblichen Personen, die sich als "Kulturkollektiv Arno-Nitzsche" bezeichnen und sich zum Zeitpunkt der Zustellung auf der im Grundbuch des AG Leipzig eingetragenen Fläche, Gemarkung … , Blatt … , Flurstück Nr. … dauerhaft aufhalten."
Erfolgloser GV-Auftrag zur Zustellung und Räumung
Die Gläubigerin beauftragte die GV mit der Zustellung der einstweiligen Verfügung an die Schuldner sowie mit der Durchführung einer beschränkten Räumung gemäß § 885a ZPO. Die GV lehnte den Räumungsauftrag mit der Begründung ab, die Schuldner zu 1 seien nicht in Person identifizierbar. Eine Zustellung der einstweiligen Verfügung sei wegen dieser Unbestimmtheit ebenfalls nicht möglich. Erinnerung und sofortige Beschwerde blieben erfolglos, so dass der Gläubiger sein Anliegen mit der Rechtsbeschwerde weiterverfolgt.
2 II. Entscheidung und Praxishinweise
Der BGH folgt den Vorinstanzen
Das LG hat zutreffend angenommen, dass eine allgemeine Voraussetzung der Zwangsvollstreckung gemäß § 750 Abs. 1 ZPO nicht vorliegt und die Gerichtsvollzieherin deshalb mit Recht die Durchführung der beantragten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen abgelehnt hat.
Gemäß § 750 Abs. 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind und das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Die Anforderungen des § 750 Abs. 1 ZPO gelten nicht nur für Urteile, sondern auch für die im Streitfall maßgebliche Vollstreckung von einstweiligen Verfügungen (§ 795 Satz 1, § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).
Dem BGH fehlt die bestimmte Bezeichnung des Schuldners
Im Streitfall fehlt es in Bezug auf die Schuldner zu 1 an einer Bezeichnung, die eine hinreichend sichere Identifizierung der durch die einstweilige Verfügung betroffenen Personen ermöglicht.
Allerdings fehlt es nicht bereits deshalb an den Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen, weil die Schuldner zu 1 in der einstweiligen Verfügung nicht mit ihrem Namen bezeichnet sind. Zwar kann nach dem Wortlaut von § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung nur gegen eine Person begonnen werden, die im Titel oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel als Schuldner namentlich bezeichnet ist. Trotz der Formenstrenge, die in der Zwangsvollstreckung herrscht, genügt es jedoch, wenn durch eine Auslegung anhand des Titels ohne weiteres festgestellt werden kann, wer Partei des Verfügungsverfahrens ist (BGHZ 156, 335; BGHZ 177, 12).
Auch durch Auslegung ist nichts zu ermitteln
Von diesen Grundsätzen ist das LG zutreffend ausgegangen. Es hat angenommen, die Schuldner zu 1 seien in der einstweiligen Verfügung nicht so klar bezeichnet, dass sie durch Auslegung des Titels zweifelsfrei identifiziert werden könnten. Es sei nicht sicher feststellbar, ob eine auf dem Gelände angetroffene Person zu der Gruppe der Schuldner zu 1 gehöre. Dass die Mitglieder des sogenannten Kulturkollektivs, die sich dauerhaft auf der Fläche aufhielten, nicht zeitweise Besuch von außenstehenden Personen erhielten, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Es sei nicht feststellbar, dass auf dem bezeichneten Grundstück nur 40 männliche und weibliche Personen anzutreffen seien, die sich als "Kulturkollektiv Arno-Nitzsche" bezeichneten und sich dort dauerhaft aufhielten. Es sei nicht klar, wie die Zugehörigkeit von anwesenden Personen zu einem "Kulturkollektiv" festgestellt und die Frage beantwortet werden könne, ob die angetroffenen Personen sich dort dauerh...