Die Bedeutung in der täglichen Praxis
Die Entscheidung ist zu begrüßen und war überfällig. Sie beendet eine lange, in Teilen kaum nachvollziehbare Diskussion um die vermeintlich unzulässige vermögensrechtliche (!) Ausforschung des ohnehin nach § 807, 899 ZPO umfassend auskunftspflichtigen Schuldners. Angesichts von geschätzten 350.000 bis 370.000 Kontopfändungen pro Monat (laut Gesetzesbegründung zur Reform der Kontopfändung) ist die praktische Bedeutung der entschiedenen Frage nicht zu unterschätzen.
Gläubiger hat formellen Handlungsbedarf
Der GL hat in vielfacher Weise Handlungsbedarf. Es gilt zunächst für alle künftigen PfÜBs die Verpflichtung des Schuldners auf Herausgabe der Kontoauszüge in das Formularwesen aufzunehmen. Sodann ist ein Schreiben zu entwerfen, das den Schuldner auf der Grundlage der Entscheidungen zur Herausgabe der Kontoauszüge auffordert. In noch laufenden Monierungsverfahren ist auf die Entscheidung des BGH zu verweisen, so dass sich die Monierungen aufgrund einschränkender Entscheidungen erledigt haben sollten. In älteren Verfahren, d.h. dort, wo der PfÜB bereits vor den Entscheidungen zugestellt wurde, ohne dass die Kontoauszüge herausgegeben wurden, kann zunächst der Schuldner ebenfalls zur Herausgabe der Kontoauszüge aufgefordert werden. Kommt er dem nicht nach, kann entweder – zur Unterstützung der freiwilligen Herausgabe – eine Klarstellung des PfÜB hinsichtlich der herauszugebenden Kontoauszüge erfolgen oder unmittelbar der Gerichtsvollzieher mit der Herausgabevollstreckung beauftragt werden.
Checkliste: Kontoauszüge richtig auswerten
Liegen die Kontoauszüge vor, muss der GL diese auswerten. Dabei kommen Prüfungsaspekte in Betracht, die sowohl die Kontopfändung selbst als auch darüber hinausgehende Aspekte betreffen:
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Wurde der Dispositionskredit oder sonstige Kreditmittel gepfändet, darf der GL ihn nicht selbst abrufen. Erst wenn der SU dies tut, muss die Auszahlung an den GL erfolgen. Das wird in der Praxis von den Banken nicht immer beachtet und kann nur kontrolliert werden, wenn die Kontoauszüge lückenlos vorliegen. |
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Soweit der SU über ein Pfändungsschutzkonto nach § 850k ZPO verfügt, ist einerseits zu prüfen, ob alle relevanten Einnahmen, insbesondere das Arbeitseinkommen bzw. die Sozialleistungen (Hartz IV), Nebenkostenerstattungen, Steuererstattungen etc. auf diesem Konto eingehen. Ist dies nicht der Fall, nutzt der SU ggf. noch ein weiteres Konto; insgesamt ist unter diesem Aspekt zu prüfen, ob die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs über das Konto vollständig erscheint. |
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Auf dem P-Konto ist weiter zu prüfen, ob die maßgeblichen Pfändungsfreibeträge tatsächlich nicht überschritten werden. Dabei muss beachtet werden, dass die Pfändungsfreigrenzentabelle auf das Konto keine Anwendung findet, sondern lediglich die Freibeträge ohne Rundung und Prozentvorteil (§§ 850c Abs. 2 und 3 ZPO) nach § 850c Abs. 1 S. 1 und ggf. S. 2 ZPO Berücksichtigung finden. |
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Die Kontoauszüge müssen darauf untersucht werden, ob sich Anhaltspunkte für weiteres Vermögen des Schuldners ergeben, wenn etwa Leistungen auf Bauspar- oder Lebensversicherungsverträge gezahlt werden. |
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Aus den Kontoauszügen können sich auch Anhaltspunkte für die optimierte Sachpfändung ergeben, etwa wenn dort die Autoversicherung oder die Autosteuer überwiesen wird; der GV kann auf den zu pfändenden Pkw hingewiesen werden. |
Unsere Arbeitshilfe: Entscheidung sofort ins Formularwesen übernehmen
Unsere Arbeitshilfe in diesem Monat (S. 64-68) ist natürlich aktuell und liefert einen den Anforderungen des BGH genügenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, eine Monierungsantwort für noch laufende Verfahren, ein Aufforderungsanschreiben an den Schuldner zur Herausgabe der Kontoauszüge und einen Klarstellungsantrag für bereits erlassene PfÜB sowie einen Vollstreckungsauftrag an den GV zur Herausgabevollstreckung nach § 836 Abs. 3 S. 3 i.V.m. § 883 ZPO.
Weiterführende Hinweise
Siehe auch die nachfolgend besprochene Entscheidung des BGH zum Verbot der Schwärzung einzelner Angaben auf den Kontoauszügen.