Leitsatz
1. Hat der Gläubiger Ansprüche des Schuldners gegen ein Kreditinstitut gepfändet, die sowohl auf Auszahlung der positiven Salden gerichtet sind als auch auf die Auszahlung des dem Schuldner eingeräumten Kredits, muss in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf Antrag des Gläubigers die Pflicht zur Herausgabe sämtlicher Kontoauszüge aufgenommen werden.
2. Eine etwaige Verletzung des Rechts des Schuldners auf Geheimhaltung oder informationelle Selbstbestimmung durch Preisgabe der in den Kontoauszügen enthaltenen Informationen muss der Schuldner im Wege der Erinnerung geltend machen.
3. Der Gerichtsvollzieher kann in entsprechender Anwendung des § 765a Abs. 2 ZPO die Herausgabe der Kontounterlagen an den Gläubiger um bis zu eine Woche aufschieben.
BGH, 9.2.2012 – VII ZB 49/10
1 I. Der Fall
Gläubigerin pfändet Ansprüche aus dem Konto
Das Amtsgericht hat wegen einer titulierten Forderung der Gläubigerin (GL) über 678,78 EUR einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) erlassen. Dieser bezieht sich u.a. auf angebliche Forderungen des Schuldners (SU) gegen die Drittschuldnerin, eine Sparkasse. In dem Beschluss wurde angeordnet, dass der SU gem. § 836 Abs. 3 ZPO verpflichtet ist, die zur Geltendmachung der Forderung nötigen Auskünfte zu erteilen und ihm über die Forderung vorhandene Urkunden herauszugeben. Insbesondere hat er herauszugeben: Girovertrag, Sparvertrag, Sparbücher.
AG und LG lehnen Anspruch auf Herausgabe der Kontoauszüge ab
Den Antrag der GL, im PfÜB zugleich nach § 836 Abs. 3 ZPO anzuordnen, dass der SU verpflichtet sei, "laufende Kontoauszüge seit Zustellung des vorläufigen Zahlungsverbots bzw. des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses" herauszugeben, hat das AG – und auf die sofortige Beschwerde auch das LG – abgelehnt.
2 II. Die Entscheidung
BGH entscheidet im Sinne der Gläubiger
Gemäß § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO ist der SU verpflichtet, dem GL die zur Einziehung der gepfändeten Forderung nötige Auskunft zu erteilen und ihm die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben. Die Vorschrift soll dem GL die Einziehung der Forderung beim Drittschuldner erleichtern. Die Auskunfts- und Herausgabepflicht dient seinem Interesse, die zur Durchsetzung der Forderung notwendigen Informationen zu erhalten. Der GL soll in die Lage versetzt werden, die Aussichten einer Drittschuldnerklage zu überprüfen und notfalls eine solche exakt zu beziffern. Unnötige und risikobehaftete Drittschuldnerklagen sollen vermieden werden (BGH NJW 2007, 606).
Der Obersatz für die herauszugebenden Unterlagen
Die Herausgabepflicht des Schuldners betrifft Urkunden, die den Gläubiger als zur Empfangnahme der Leistung berechtigt legitimieren, sowie solche, die den Bestand der Forderung beweisen oder sonst der Ermittlung oder dem Nachweis ihrer Höhe, Fälligkeit oder Einredefreiheit dienen (BGH NJW 2007, 606; BGH NJW-RR 2006, 1576; BGH NJW 2003, 1256). Kontoauszüge sind danach herauszugeben, soweit sie dem Gläubiger die Einziehung der Forderung in dem dargestellten Sinn erleichtern (BGHZ 165, 53), wobei die Herausgabe von Kopien der Kontoauszüge genügt (vgl. Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn 624; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 836 Rn 14).
Konkret: Voraussetzungen der Pflicht zur Herausgabe von Kontoauszügen
Sind Ansprüche gepfändet, die sowohl auf Auszahlung der positiven Salden gerichtet sind als auch auf Auszahlung des dem Schuldner eingeräumten Kredits oder Darlehens, sind die gesamten Kontoauszüge geeignet, die einredefreie Forderung des Gläubigers gegen das Kreditinstitut zu belegen und insoweit die Durchsetzung der Forderung zu erleichtern. Der Gläubiger hat das im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Pfändung vorhandene Kontokorrentguthaben, den so genannten Zustellungssaldo (BGHZ 80, 172), und die künftigen Abschlusssalden zum Ende der jeweiligen Kontokorrentperioden gepfändet (BGHZ 80, 172). Die Pfändung erfasst weiter den Anspruch des Bankkunden auf Auszahlung des nach jeder Kontoverfügung neu entstehenden Saldos (sog. Tages- oder Zwischensaldo, vgl. Bitter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 33 Rn 52) einschließlich des Rechts, über das Guthaben zu verfügen (BGHZ 84, 325; BGHZ 84, 371), sowie die Zahlungsansprüche aus Spar- oder Wertpapierverwaltungsverträgen. Die ausgebrachte Pfändung erfasst auch den Anspruch auf Auszahlung des von der Drittschuldnerin eingeräumten Kredits oder Darlehens in der noch nicht zur Auszahlung gelangten Höhe. Dazu gehören auch Ansprüche aus einem dem Schuldner eingeräumten Dispositionskredit. Diese sind pfändbar, soweit der Schuldner den Kredit durch Abruf eines Geldbetrages, das heißt durch eine Abhebung, Überweisung oder Zustimmung zu Lastschriften, in Anspruch nimmt. Mit dem Abruf entsteht ein Zahlungsanspruch des Schuldners gegen die Bank, der dem Gläubigerzugriff im Wege der Pfändung offensteht (BGHZ 147, 193; BGHZ 157, 350; BGH ZIP 2011, 1324).
Das kann der Gläubiger prüfen
Sowohl Kontoauszüge, die positive Salden ausweisen, als auch solche, die negative Salden dokumentieren, sind daher geeignet, F...