Leitsatz
Eine Anordnung des Vollstreckungsgerichts im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) dahingehend, dass dem Schuldner (SU) gestattet wird, Schwärzungen in den Kontoauszügen vorzunehmen, kommt nicht in Betracht. Etwaige Verletzungen seiner Rechte auf Geheimhaltung oder informationelle Selbstbestimmung durch Preisgabe der in den Kontoauszügen enthaltenen Informationen muss der Schuldner im Wege der Erinnerung geltend machen.
BGH, 23.2.2012 – VII ZB 59/09
1 I. Der Fall
AG lehnt Herausgabeanordnung für Kontoauszüge ab
Das AG hat zugunsten der GL einen PfÜB erlassen, mit dem alle Ansprüche des SU gegen die Drittschuldnerin aus den dort geführten Konten, Kontokorrentverhältnissen, Sparverträgen, Kreditverträgen, Stahlkammerfächern und Depots gepfändet und den Gläubigern zur gesamten Hand zur Einziehung überwiesen wurden. Die darüber hinaus beantragte Pfändung angeblicher Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf Erteilung von Kontoauszügen und Rechnungsabschlüssen über die bei ihr geführten Konten hat das AG abgelehnt. Den Antrag der GL, den Schuldner zur Herausgabe der aktuellen Kontoauszüge für die bei der Drittschuldnerin unterhaltenen Spar-, Giro- und sonstigen Konten ab dem Zeitpunkt der Zustellung des PfÜB zu verpflichten, hat es zurückgewiesen.
LG bejaht Herausgabe, lässt aber Schwärzung zu
Auf die sofortige Beschwerde der GL hat das LG das AG angewiesen, den PfÜB zu ergänzen und die Herausgabe von Kontoauszügen in Kopie durch den Schuldner mit der Maßgabe anzuordnen, dass es dem SU gestattet sei, sämtliche Angaben zu den einzelnen Buchungsvorgängen mit Ausnahme des sich zu seinen Gunsten bzw. Ungunsten ergebenden Tagessaldos zu schwärzen.
2 II. Die Entscheidung
BGH bestätigt Rechtsprechung zur Herausgabe der Kontoauszüge
Zu Recht geht das LG davon aus, dass Kontoauszüge vom SU nach § 836 Abs. 3 ZPO herauszugeben sind, soweit sie dem GL die Einziehung der Forderung in dem dargestellten Sinn erleichtern. Sind, wie hier, Ansprüche gepfändet, die sowohl auf Auszahlung der positiven Salden gerichtet sind als auch auf Auszahlung eines dem SU eingeräumten Kredits oder Darlehens, sind die gesamten Kontoauszüge geeignet, die einredefreie Forderung des GL gegen das Kreditinstitut zu belegen und insoweit die Durchsetzung der Forderung zu erleichtern (zum Ganzen: BGH, 9.2.2012 – VII ZB 49/10, FoVo 2012, 69 (in diesem Heft).
Anordnung der Schwärzung ist nicht gerechtfertigt
Eine Einschränkung der Herausgabeanordnung dahingehend, es dem SU zu gestatten, die in den Kontoauszügen enthaltenen Angaben zu den einzelnen Buchungsvorgängen zu schwärzen, ist nicht gerechtfertigt.
Schwärzung: Kein Geheimhaltungsinteresse
Eine solche Beschränkung der Herausgabeanordnung ergibt sich nicht aus dem Recht des SU zur Geheimhaltung oder seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass der SU zur Wahrung dieser Rechte mit der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) gegen die Herausgabeanordnung vorgehen und gegebenenfalls entsprechend § 765a Abs. 2 ZPO einen Aufschub der Herausgabe an den GV von bis zu einer Woche erreichen kann (BGH, 9.2.2012 – VII ZB 49/10, FoVo 2012, 69). Da er vor Erlass des PfÜB nicht gehört worden ist und auch im weiteren Verfahren keinen Vortrag gehalten hat, aus dem sich Hinweise auf ein Geheimhaltungsinteresse oder eine Beschränkung der Herausgabepflicht wegen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ergeben, besteht kein Anlass, den Gläubigern die in den Kontoauszügen über dort ausgewiesene positive Salden hinaus enthaltenen Informationen dadurch vorzuenthalten, dass dem Schuldner entsprechende Schwärzungen gestattet werden.
Die Herausgabeanordnung ist nicht wegen des Verbots einer unzulässigen Ausforschungspfändung einzuschränken. Die vom Schuldner vorzulegenden Kontoauszüge können zwar mehr Informationen enthalten, als der Gläubiger für die Zwangsvollstreckung benötigt. Das hat der Schuldner auf der Grundlage der weit auszulegenden Vorschrift des § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO aber grundsätzlich hinzunehmen. Eine gewisse Ausforschung ist auch sonst dem Zwangsvollstreckungsverfahren nicht fremd.
Herausgabe: Kein selbständiger Anspruch gegen den Drittschuldner
Ohne Erfolg wenden sich die Gläubiger gegen die Zurückweisung ihres Antrages auf Pfändung des angeblichen Anspruchs des Schuldners auf Erteilung von Kontoauszügen und Rechnungsabschlüssen. Sie selbst gehen davon aus, dass es sich dabei nicht um einen als Nebenanspruch ohnehin mitgepfändeten, nach §§ 412, 401 BGB auf den Gläubiger übergehenden Auskunftsanspruch (vgl. dazu BGH NJW-RR 2003, 1555), sondern um einen selbständigen Anspruch aus dem Girovertrag handelt. Dieser Anspruch kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gepfändet werden (BGH InVo 2006, 148 = NJW 2006, 217). Die Ausführungen der Rechtsbeschwerde geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.
3 III. Der Praxistipp
Das System der Informationsbeschaffung
Bei der Informationsbeschaffung in der Forderungsvollstreckung sind drei verschiedene Anspruchsgrundlagen zu unterscheiden: