Ein Gesetz gegen Rechtsanwälte und Inkassounternehmen
Am 12.3.2012 ist der "Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken" des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) bekannt geworden, der Rechtsanwaltschaft wie Inkassowirtschaft gleichermaßen aufschrecken muss. Gleich zu Anfang muss zwei Irrtümern entgegengetreten werden, die sich beim Lesen des Gesetzesnamens aufdrängen könnten:
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Mitnichten richtet sich das Gesetz nur gegen unseriöse Geschäftspraktiken. Mit der Einführung von Darlegungs- und Informationspflichten sowie einer Inkassoregelvergütung wird der gesamte seriöse Forderungseinzug mit neuen Pflichten belegt und in seinen Vergütungsstrukturen gedeckelt. |
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Das Gesetz betrifft nicht nur Inkassounternehmen. Vielmehr werden die Darlegungs- und Informationspflichten auch in der BRAO verankert. Die Inkassoregelsätze finden auf Inkassomandate von Rechtsanwälten, d.h. die Einziehung von bei Beauftragung unstreitigen Forderungen kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ebenso Anwendung. |
Benachteiligt: Wirtschaft, Verbraucher, Rechtsanwälte, Inkassounternehmen
Wird der Entwurf im Gesetzgebungsverfahren beschlossen, ist er geeignet, die Interessen der deutschen Wirtschaft ebenso wie die der Verbraucher nachhaltig zu beeinträchtigen. Es ist damit zu rechnen, dass sich Bonitätsprüfungen massiv verschärfen und der deutschen Wirtschaft notwendige Liquidität vorenthalten wird. Statt nach dem Grundsatz zu verfahren, dass unseriöse Geschäftspraktiken überhaupt nicht und seriöse Geschäfte angemessen vergütet werden, sollen beide Methoden über einen Kamm geschoren werden. Leidtragende einer unzureichenden Regelung sind auch die Rechtsanwälte und Inkassounternehmen, die in ihren Vergütungsmöglichkeiten beschränkt werden.
Verwirrung statt Transparenz: Darlegungs- und Informationspflichten
Noch wenig einzuwenden ist gegen die Absicht des BMJ, den Bevollmächtigten des Gläubigers, sei er Rechtsanwalt oder Inkassounternehmen, zu verpflichten, den Schuldner mit der ersten Geltendmachung der Forderung über den Auftraggeber, den Forderungsgrund und die näheren Umstände des Vertragsabschlusses, die Zinsberechnung und deren Grundlage, die Grundlagen und die Höhe der Vergütung sowie die fehlende Vorsteuerabzugsberechtigung zu informieren. Besondere Effektivität ist hiervon allerdings auch nicht zu erwarten.
Hinweis
Beachtlich ist, dass der Schuldner nicht über den Gläubiger der Forderung zu informieren ist, sondern über den Auftraggeber des Inkassounternehmens oder des Rechtsanwaltes. Diese müssen in Fällen der Sicherungsabtretung oder der Vorfinanzierung durchaus nicht identisch sein. Ob dies zur höheren Klarheit für den Schuldner führt, kann mit Recht bezweifelt werden.
Information: Begründung des Anspruchs
Der Bevollmächtigte ist dann verpflichtet anzugeben, ob die Forderung aus Vertrag, aus unerlaubter Handlung oder aus ungerechtfertigter Bereicherung stammt (Forderungsgrund). Bei einem vertraglichen Anspruch sollen der Gegenstand (Miete, Darlehn, Werkvertrag, Dienstvertrag etc.), das Datum des Vertragsschlusses und die "näheren Umstände des Vertragsschlusses" angegeben werden. Unter Letzterem versteht der Entwurf die Angabe, ob er telefonisch, per Internet, mündlich an der Haustür etc. geschlossen wurde.
Hinweis
Dies verursacht in einer Vielzahl von Fällen, in denen seriöse Inkassounternehmen und Rechtsanwälte unbestrittene Forderungen im Masseninkasso geltend machen, insbesondere im Versandhandel, im Telekommunikationsbereich, bei den Energieversorgern sowie im Versicherungs- und Bankbereich einen erheblichen Mehraufwand. Da der Schuldner regelmäßig um die Berechtigung der Forderung weiß und sie nicht bestreitet, werden diese Angaben regelmäßig erst dann vom Gläubiger an den Rechtsdienstleister weitergegeben, wenn der Schuldner Einwendungen erhebt. Dies dient auch dem Grundsatz der Datensparsamkeit. Diesen zusätzlichen Aufwand wird der Verordnungsgeber dann bei der Bemessung der Inkassoregelsätze (s.u.) zu berücksichtigen haben.
Angaben zur Zinshöhe und dem Verzugszeitpunkt sind ebenso unkritisch wie die Angabe des Grundes und der Höhe der Inkassovergütung sowie der (fehlenden) Vorsteuerabzugsberechtigung. Seriöse Inkassounternehmen haben diese Angaben seit vielen Jahren in den gängigen Forderungsaufstellungen, die der Schuldner erhält, berücksichtigt.
Neu: Schutzobjekt ist die Privatperson
Die Darlegungs- und Informationspflichten bestehen nur gegenüber "Privatpersonen". Das BMJ führt hier neben dem Verbraucher (§ 13 BGB), dem Unternehmer (§ 14 BGB) und dem Kaufmann (§ 1 ff. HGB) eine weitere Personengruppe ein, die sich nicht vollständig gegen diese abgrenzt, sondern sich teilweise mit ihnen überschneidet. Das macht den Geschäftsverkehr durchaus nicht einfacher. Die Legaldefinition in § 11a Abs. 2 RDG und § 43d Abs. 2 BRAO erstreckt den vom BMJ als besonders schutzwürdig angesehenen Personenkreis über den Verbraucherbegriff in § 13 BGB hinaus auf alle Personen, gegen die Forderungen aus einem nicht geschäftlichen Kontext ...