Leitsatz
Macht ein Gläubiger neben der titulierten Hauptforderung auch nicht titulierte Nebenforderungen (hier: Zinsen) geltend, kann er Teilleistungen des Schuldners zulässigerweise gemäß § 367 Abs. 1 BGB hierauf verrechnen. Der Umstand, dass zum Zeitpunkt dieser Verrechnung bereits ein Titel über die Hauptforderung bestand, hindert ihn nicht, außerhalb der Zwangsvollstreckung erbrachte Teilleistungen nicht nur auf die titulierte Forderung anzurechnen. Die sachliche Überprüfung der Richtigkeit der Verrechnung unterliegt nicht der Prüfung des Gerichtsvollziehers. Vielmehr muss der Schuldner insoweit, wenn er sich gegen aus seiner Sicht unberechtigte Verrechnungen auf nicht titulierte Nebenforderungen wenden will, Vollstreckungsgegenklage erheben.
LG Wuppertal, 24.1.2011 – 6 T 6/11
1 I. Der Fall
GL verrechnet Teilleistungen auf nicht titulierte Zinsen
Die GL betreibt die Vollstreckung aus einem vollstreckbaren Unterhaltsbeschluss und hat den GV mit einem kombinierten Auftrag zur Durchführung der Sachpfändung und des Offenbarungsverfahrens unter Beifügung einer Forderungsaufstellung beauftragt. Im Titel sind Zinsen nicht tituliert. In der Forderungsaufstellung sind Zahlungen des Schuldners enthalten, die die GL nach der Forderungsaufstellung gemäß § 367 Abs. 1 BGB zum geringen Teil auf Kosten, alsdann aber auch hauptsächlich auf Zinsen, die ausgewiesen sind, verrechnet hat. Der nach der Verrechnung verbleibende Zinssaldo ist ausdrücklich vom Vollstreckungsauftrag ausgenommen.
GV verweigert die Vollstreckung – GL wehrt sich
Der GV hat die Fortsetzung und Ausführung des Vollstreckungsauftrages verweigert, jeweils unter Hinweis darauf, dass Zinsen nicht tituliert seien, und eine neue Forderungsaufstellung von der GL begehrt. Hiergegen hat die GL Erinnerung gemäß § 766 ZPO eingelegt, der der SU entgegengetreten ist und die das AG zurückgewiesen hat.
2 II. Die Entscheidung
LG folgt der Argumentation der GL
Die GL hat eine Forderungsaufstellung zur Berechnung der titulierten Restforderung vorgelegt, die den Anforderungen entspricht, denn in ihr ist die Gläubigerforderung nach Hauptsache, Zinsen, Prozess- und Vollstreckungskosten bestimmt und bestimmbar dargestellt. Der GV hat zu Unrecht die Fortsetzung und Ausführung des Vollstreckungsauftrages abgelehnt unter Hinweis darauf, dass Zahlungen des Schuldners auf nicht titulierte Zinsen verrechnet seien. Dies unterliegt nicht dem Prüfungsrecht des GV als Vollstreckungsorgan.
Materielles Verrechnungsrecht liegt beim Gläubiger
Macht ein GL, wie vorliegend, neben der titulierten Hauptforderung auch eine nicht titulierte Nebenforderung, hier: Zinsen, geltend, kann er Teilleistungen des SU zulässigerweise gemäß § 367 Abs. 1 BGB hierauf verrechnen. Der Umstand, dass zum Zeitpunkt dieser Verrechnung bereits ein Titel über die Hauptforderung bestand, hindert ihn nicht, außerhalb der Zwangsvollstreckung erbrachte Teilleistungen nicht nur auf die titulierte Forderung anzurechnen. Der Titel gewährt eine begünstigte Rechtsstellung. Diese kann dem GL nicht zum Nachteil gereichen und nicht dazu führen, dass hinsichtlich nicht titulierter Ansprüche bestehende Rechte beschnitten werden. Vielmehr muss der SU insoweit, wenn er sich gegen aus seiner Sicht unberechtigte Verrechnungen auf nicht titulierte Nebenforderungen wenden will, Vollstreckungsgegenklage erheben (vgl. LG Kiel DGVZ 1994, 60; LG Münster DGVZ 1994, 10).
GV darf nur Verfahrensvorschriften prüfen
Dies alles, nämlich die sachliche Überprüfung der Richtigkeit der Verrechnung, unterliegt nicht der Prüfung des Vollstreckungsorgans. Dies gilt grundsätzlich deshalb, weil Vollstreckungsgrundlage die vollstreckbare Ausfertigung des Schuldtitels ist und der so vollstreckbar ausgewiesene Anspruch des GL ebenso wie Einwendungen gegen ihn nicht im Vollstreckungsverfahren durch das Vollstreckungsorgan zu prüfen sind (vgl. Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn 464). Die GL begehrt auch nicht etwa die Vollstreckung wegen nicht titulierter Zinsen. Dies ergibt sich aus ihrer Forderungsaufstellung und dem Vollstreckungsauftrag, in dem der – nach Verrechnung restliche – Zinssaldo ausdrücklich ausgenommen ist.
3 III. Der Praxistipp
Der GV als Vollstreckungshindernis?
Immer wieder zeigt sich, dass der GV sich nicht darauf beschränkt, den tatsächlich erteilten Vollstreckungsauftrag durchzuführen und die immerhin titulierte Forderung im Sinne des GL beizutreiben. Vielmehr gerieren sich einzelne GV immer wieder als Schuldnerberater und deren Helfer. Der erhebliche Rückgang der GV-Aufträge in den letzten Jahren ist auch auf solche Umstände zurückzuführen.
Wo steht das?
Der GV hat bei der Durchführung der Sachpfändung grundsätzlich nur die Rechtmäßigkeit des Verfahrens zu prüfen. Da der GL über einen Vollstreckungstitel verfügt, der ihm ein aus Art. 14 GG auch verfassungsrechtlich verbürgtes Beitreibungsrecht gibt, muss der GV stets belegen, woraus sich seine Einschränkungen des Vollstreckungsauftrages normativ ergeben sollen. Der GL und seine Rechtsdienstleister sind zur Vermeidung von zeit- und kostenintensiven Monierungen g...