I. Das Problem
Schuldner statt RA anschreiben
In der Praxis bestellt sich manchmal für den Schuldner ein Rechtsanwalt, mit dem sich dann aber kaum zeitnah eine konstruktive Kommunikationsebene finden lässt, um eine gütliche Erledigung der Sache zu erreichen. Gleichzeitig stellen wir fest, dass eine unmittelbare Ansprache des Schuldners dann häufig Bewegung in die offene Forderungsbeitreibung bringt und die Sache nicht selten zeitnah zum Abschluss gebracht werden kann. Wir fragen uns, ob es uns als registriertem Inkassounternehmen trotz eines ordnungsgemäß unter Vollmachtsvorlage bestellten Rechtsanwaltes als Vertreter des Schuldners gleichwohl erlaubt ist, den Schuldner anzuschreiben?
II. Die Lösung
Frage ist höchstrichterlich geklärt
Der BGH hatte sich mit dieser Frage schon im Jahr 2011 auseinanderzusetzen und sie dahin beantwortet, dass es keine Verpflichtung gibt, ausschließlich mit dem bestellten Vertreter zu korrespondieren (BGH NJW 2011, 1005).
Eine Verpflichtung des Gläubigers oder des von ihm beauftragten Inkassounternehmens, eine unmittelbare Kontaktaufnahme zum anwaltlich vertretenen Schuldner zu unterlassen, ergibt sich weder aus § 172 ZPO noch aus § 12 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) in der Fassung vom 22.3.1999 (BRAK-Mitt. Nr. 3 S. 123), zuletzt geändert durch Beschluss der Bundesrechtsanwaltskammer vom 25./26.6.2010 (BRAK-Mitt. Nr. 6 S. 253).
§ 172 ZPO betrifft nur anhängige Gerichtsverfahren
Nach § 172 Abs. 1 ZPO hat die Zustellung in einem anhängigen Verfahren an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut und Sinn ist die Vorschrift nur auf ein bereits anhängiges gerichtliches Verfahren bezogen und sagt nichts über die Frage des richtigen Zustellungsadressaten bei außergerichtlichen Streitigkeiten aus.
§ 12 BORA gilt nur für Anwälte
§ 12 BORA verbietet es zwar einem Rechtsanwalt grundsätzlich, ohne Einwilligung des gegnerischen Rechtsanwalts mit dessen Mandanten unmittelbar Verbindung aufzunehmen oder zu verhandeln. Zweck des Verbots sind der Schutz des gegnerischen Rechtsanwalts vor Eingriffen in dessen Mandatsverhältnis, der Schutz des gegnerischen Mandanten und der Schutz der Rechtsprechung vor der Belastung mit Auseinandersetzungen, die ihren Grund in Einlassungen der von ihrem Rechtsanwalt nicht beratenen Partei finden. Trotz dieses Schutzzwecks kommt sie als Anspruchsgrundlage für den Kläger aber nicht in Betracht, weil diese berufsrechtliche Vorschrift nur die beteiligten Rechtsanwälte, nicht jedoch die von ihnen vertretenen Mandanten verpflichtet (BGH VersR 2004, 402, 403 m.w.N.).
Hinweis
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass ein Rechtsanwalt sehr wohl von einem Rechtsanwalt verlangen kann, dass der eigene Mandant nicht unmittelbar angeschrieben wird, nicht aber von einem registrierten Inkassounternehmen.
Gibt das Persönlichkeitsrecht einen Unterlassungsanspruch?
Auch aus §§ 1004 analog, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG ergibt sich für den BGH kein rechtlich beachtliches Gebot, die unmittelbare Kontaktaufnahme zu unterlassen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt zwar den Bereich privater Lebensgestaltung und gibt dem Betroffenen (Schuldner) das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden. Hieraus folgt ein Recht des Einzelnen, seine Privatsphäre freizuhalten von unerwünschter Einflussnahme anderer (Gläubiger und deren Rechtsdienstleister), und die Möglichkeit des Betroffenen, selbst darüber zu entscheiden, mit welchen Personen und gegebenenfalls in welchem Umfang er mit ihnen Kontakt haben will. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann deshalb vor Belästigungen schützen, die von einer unerwünschten Kontaktaufnahme ausgehen. In der bloßen – als solche nicht ehrverletzenden – Kontaktaufnahme kann aber regelmäßig nur dann eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen, wenn sie gegen den eindeutig erklärten Willen des Betroffenen erfolgt, weil ansonsten die Freiheit kommunikativen Verhaltens schwerwiegend beeinträchtigt wäre.
Grenzen des Persönlichkeitsrechtes sehen
Das Recht des Schuldners auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seiner Privatsphäre aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK ist nach Auffassung des BGH aber mit dem berechtigten Interesse des Gläubigers und des registrierten Inkassounternehmens als dessen Rechtsdienstleister, zur Durchsetzung ihrer behaupteten Ansprüche unmittelbar mit ihrem Vertragspartner in Kontakt zu treten, abzuwägen. Denn wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Sc...