Leitsatz
Wird mit einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auch künftiges Guthaben auf einem Girokonto gepfändet, so ist der Gegenstandswert in Höhe der Vollstreckungsforderung zu bestimmen.
BGH, Beschl. v. 1.2.2017 – VII ZB 22/16
1 I. Der Fall
Vollstreckung aus einem Zuschlagbeschluss
Der Gläubiger vollstreckt als Mitglied einer Erbengemeinschaft aus einem Zuschlagbeschluss, in dem eine Forderung der Erbengemeinschaft von 152.306,60 EUR festgestellt wurde. Hinsichtlich dieser Forderung aus dem Zuschlagbeschluss wurde dem Gläubiger eine Vollstreckungsklausel erteilt.
Pfändung in das Konto des Schuldners
Auf dieser Grundlage hat der Gläubiger das Konto des Schuldners gepfändet. Mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) wird u.a. der Anspruch des Schuldners auf Auszahlung der zu seinen Gunsten bestehenden Guthaben seiner sämtlichen Girokonten bei der Drittschuldnerin einschließlich der Ansprüche auf Gutschrift der eingehenden Beträge, die gegenwärtige und künftige Forderung des Schuldners gegenüber der Drittschuldnerin auf Auszahlung eines vereinbarten Dispositionskredits, soweit der Schuldner den Kredit in Anspruch nimmt, sowie der Anspruch auf Auszahlung eines bestehenden Sparguthabens gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen. Gleichzeitig wurde beantragt, den Erlös zugunsten der Erbengemeinschaft zu hinterlegen.
Der Schuldner wehrt sich gegen den PfÜB, weil er den Klauselgläubiger zu Unrecht in dieser Position sieht. Tatsächlich sei nur die Erbengemeinschaft Gläubiger. Auch seien die von dem Amtsgericht festgesetzten Kosten zu hoch, weil als Gegenstandswert auf die volle Vollstreckungsforderung und nicht auf das Guthaben zum Zeitpunkt der Pfändung von 6.050 EUR abgestellt worden sei.
2 II. Aus der Entscheidung
Das Amtsgericht – Vollstreckungsgericht – hat die nach § 788 ZPO zugunsten des Gläubigers festzusetzenden Kosten der Zwangsvollstreckung zutreffend auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 152.317,05 EUR ermittelt, der die zu vollstreckende Forderung einschließlich der Zustellungskosten umfasst. Entgegen der Auffassung des Schuldners ist der Gegenstandswert nicht gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG mit dem Betrag des Guthabens in Höhe von 6.050 EUR anzusetzen, das auf seinem von der Pfändung erfassten Girokonto vorhanden war.
Abzustellen ist auf den Wert der Vollstreckungsforderung
Nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG bestimmt sich der Gegenstandswert in der Zwangsvollstreckung nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung einschließlich der Nebenforderungen. Soll ein bestimmter Gegenstand gepfändet werden und hat dieser einen geringeren Wert, ist der geringere Wert maßgebend. Mit dem vom Gläubiger beantragten PfÜB sollen neben dem Anspruch des Schuldners auf Auszahlung des auf seinem Girokonto bei der Drittschuldnerin bestehenden Guthabens auch der Anspruch auf Gutschrift der auf dem Konto eingehenden Beträge sowie die gegenwärtige und künftige Forderung des Schuldners gegenüber der Drittschuldnerin auf Auszahlung eines vereinbarten Dispositionskredits, soweit der Schuldner den Kredit in Anspruch nimmt, gepfändet werden. Die Zwangsvollstreckung beschränkt sich damit nicht auf das im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Pfändung vorhandene Guthaben. Für den Gegenstandswert ist daher der Wert der zu vollstreckenden Forderung einschließlich der aufgewendeten Zustellkosten maßgeblich.
3 Der Praxistipp
Gläubiger müssen die Entscheidung konsequent nutzen
Die Entscheidung des BGH legt ein zutreffendes Verständnis des Wortlautes von § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG zugrunde. Sie gilt nicht nur für die Kontopfändung, sondern bei allen Formen der Forderungspfändung, die auch künftige Ansprüche umfasst. Neben der Kontopfändung ist also besonders die Pfändung von Arbeitslohn positiv betroffen. Bei den Hauptpfändungsarten kann der Bevollmächtigte seine Kosten also aus dem vollen Wert der Vollstreckungsforderung (Hauptforderung, Zinsen, Kosten) berechnen.
Gegenauffassung ist die Grundlage entzogen
Anders als der BGH hatte zuletzt noch das OLG Brandenburg (v. 29.7.2017 – 7 W 45/16, AGS 2017, 84) entschieden. Bestehe die gepfändete Forderung nicht, könne der Gegenstandswert nur bis 500 EUR bemessen werden. Das entspricht einer Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (OLG Köln Rpfleger 2001, 149; LG Hamburg ZMR 2009, 697; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl. 2015, § 25 Rn 17; Noethen, in: Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 14. Aufl. 2016, Rn 4446; Frankenberg, in: Göttlich/Mümmler, RVG, 6. Aufl. 2015, S. 1282; Gierl, in: Mayer/Kroiß, Nomos-Kommentar RVG, 6. Aufl. 2013, § 25 Rn 11; Potthoff, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl. 2014, § 25 Rn 12; Wolf/Volpert, in: Schneider/Wolf, Anwaltkommentar RVG, 7. Aufl. 2014, § 25 Rn 16), der der BGH nun die Grundlage entzogen hat.
FoVo 4/2017, S. 73 - 74