Leitsatz
Beantragt ein Gläubiger, den Schuldner zur Herausgabe einer Sache zu verurteilen, diesem eine Frist zur Herausgabe der Sache zu setzen und ihn weiter zu verurteilen, nach fruchtlosem Ablauf der Frist Schadensersatz statt der Leistung zu zahlen, liegt in diesem Antrag ein Verlangen auf Schadensersatz statt der Leistung, wenn der Gläubiger nicht deutlich macht, sein Wahlrecht erst künftig ausüben zu wollen.
Wird ein Schuldner verurteilt, eine Sache an den Gläubiger herauszugeben und nach fruchtlosem Ablauf einer ihm zur Herausgabe gesetzten Frist Schadensersatz statt der Leistung zu zahlen, ist mit Eintritt der Bedingung des Fristablaufs der im Urteil titulierte Herausgabeanspruch ausgeschlossen und der Schuldner nur noch zur Zahlung des ausgeurteilten Schadensersatzes verpflichtet, wenn sich nicht aus dem Urteil ergibt, dass die Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz unter der weiteren aufschiebenden Bedingung eines künftigen Schadensersatzverlangens des Gläubigers steht.
BGH, Beschl. v. 9.11.2017 – IX ZR 305/16
1 I. Der Fall
Herausgabe mit Frist und Zahlungspflicht
Die Schuldnerin wurde rechtskräftig verurteilt, an den Gläubiger ein im Einzelnen bezeichnetes Chorarchiv herauszugeben, wobei ihr zur Herausgabe eine Frist von vier Wochen ab Rechtskraft gesetzt wurde. Weiter wurde sie für den Fall, dass die Frist fruchtlos ablaufe, verurteilt, an den Gläubiger 10.000 EUR nebst Zinsen seit Fristablauf zu zahlen.
Schuldnerin zahlt – Gläubiger lehnt ab
Die Schuldnerin gab das Chorarchiv nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist heraus, sondern überwies an den Beklagten nach Ablauf der Frist den ausgeurteilten Geldbetrag. Dieser veranlasste die Rücküberweisung und beauftragte den Gerichtsvollzieher (GV) mit der Herausgabevollstreckung.
Vollstreckungsgegenklage
Hiergegen wendet sich die Schuldnerin mit der Vollstreckungsgegenklage unter Hinweis auf ihre Zahlung. Das LG hat die Klage abgewiesen, das OLG hat das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Vollstreckung wegen des Herausgabeanspruchs für unzulässig erklärt. Es hat den Anspruch nach § 281 Abs. 4 BGB als erloschen angesehen. Der Gläubiger habe sein Schadensersatzverlangen bereits dadurch erklärt, dass er neben der Herausgabe und der gerichtlichen Fristsetzung die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von Schadensersatz nach fruchtlosem Fristablauf erwirkt habe.
2 II. Aus der Entscheidung
BGH sieht keinen Herausgabeanspruch mehr
Die Vollstreckungsgegenklage der Schuldnerin nach § 767 Abs. 1 ZPO ist begründet. Mit Recht hat diese geltend gemacht, dass die Vollstreckung aus Nummer 1 der Urteilsformel unzulässig ist. Denn sie ist berechtigt, Einwendungen gegen den im Urteil festgestellten Herausgabeanspruch zu erheben, weil diese erst nach Rechtskraft des Berufungsurteils im Vorprozess, mithin nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften der ZPO spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können (§ 767 Abs. 2 ZPO). Der Anspruch des Beklagten auf Herausgabe des Chorarchivs aus § 985 BGB ist nach § 281 Abs. 4 BGB ausgeschlossen, nachdem die der Klägerin nach § 255 Abs. 1 ZPO gesetzte Frist abgelaufen war, ohne dass sie das Archiv an den Beklagten herausgegeben hat, und der Beklagte ausweislich des Vollstreckungstitels für den Fall des erfolglosen Fristablaufs schon mit der Antragstellung von der Klägerin Schadensersatz verlangt hat. Dies ergibt sich aus dem Titel des Vorprozesses, aus dem der Beklagte vollstreckt, in Verbindung mit seiner Antragstellung im damaligen Rechtsstreit.
Klagehäufung: Herausgabe und Schadensersatz
Der Eigentümer einer Sache kann unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 und 2 BGB Schadensersatz verlangen, wenn der bösgläubige oder verklagte Besitzer seine Herausgabepflicht nach § 985 BGB nicht erfüllt (BGHZ 209, 270 Rn 16). Weiterhin muss er nicht in zwei aufeinander folgenden Prozessen zunächst den Herausgabe- und sodann den Schadensersatzanspruch geltend machen, sondern er kann im Wege der Klagehäufung nach § 260 ZPO seine Klage auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der von dem Gericht zur Erfüllung des Herausgabeanspruchs gesetzten Frist (§ 255 Abs. 1 ZPO) unter den Voraussetzungen des § 259 ZPO bereits zusammen mit der Herausgabeklage erheben (BGH, Urt. v. 18.3.2016, a.a.O. Rn 23).
Kein automatischer Verlust des Herausgabeanspruchs
Im Unterschied zur alten Rechtslage ist ein auf den Primäranspruch lautendes rechtskräftiges Urteil nicht mehr nötig, um Schadensersatz statt der Leistung zu erhalten. Es genügt, dass der Gläubiger dem Schuldner – unter den Voraussetzungen der §§ 280, 281 BGB – erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB). Auch entfällt der Anspruch des Gläubigers/Eigentümers auf die (Primär-) Leistung nach § 281 Abs. 4 BGB nicht mit fruchtlosem Ablauf der Nachfrist (Staudinger/Schwarze, BGB, 2014, § 281 Rn A 14, D 1). Vielmehr erhäl...