Leitsatz
1. Ansprüche aus § 109 SGB VI auf Erteilung von Renteninformationen und Rentenauskünften sind nicht zusammen mit der zukünftigen Forderung der Schuldnerin auf Zahlung von Renten mitgepfändet.
2. Sie können auch nicht gesondert gepfändet werden.
BGH, 9.2.2012 – VII ZB 117/09
1 I. Der Fall
Gläubiger hat Rentenansprüche gepfändet …
Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung. Auf seinen Antrag hat das AG einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) erlassen, mit dem unter anderem angebliche Forderungen und Ansprüche der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin, einen regionalen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, wegen Zahlung der rückständigen, laufenden und zukünftig fällig werdenden Rente gepfändet worden sind. Außerdem ist der Anspruch der Schuldnerin auf Erteilung und Herausgabe "der jeweils gültigen Rentenmitteilung" durch die Drittschuldnerin gepfändet worden. Die 1957 geborene Schuldnerin bezieht zurzeit keine Rentenzahlungen.
… aber den Informationsanspruch gegen die Drittschuldnerin gestrichen
Auf die Erinnerung der Drittschuldnerin hat das AG den PfÜB dahin abgeändert, dass bloße Renteninformationen oder Rentenauskünfte im Sinne des § 109 SGB VI nicht herauszugeben seien. Das LG hat die Entscheidung bestätigt.
2 II. Die Entscheidung
Pfändbarkeit des Informationsanspruchs ist bisher umstritten
Ob Ansprüche eines Versicherten gegen den Versicherungsträger auf Erteilung von Renteninformationen und Rentenauskünften gemäß § 109 SGB VI pfändbar sind, ist umstritten.
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Nach einer Auffassung werden diese Ansprüche durch einen PfÜB, der zukünftige Rentenansprüche des Schuldners gegen den Rentenversicherungsträger pfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überweist, als unselbstständige Neben- oder Hilfsrechte mitgepfändet und überwiesen (LG Bochum JurBüro 2009, 270; LG Dresden JurBüro 2009, 45 f.; AG Linz JurBüro 2010, 215; AG Siegen JurBüro 1998, 603; AG Singen JurBüro 1998, 159; AG Sinsheim JurBüro 1998, 159; AG Spaichingen JurBüro 1998, 160; AG Heidelberg JurBüro 1998, 160; AG Diepholz JurBüro 1998, 160; AG Verden JurBüro 1997, 211; einschränkend Behr, JurBüro 1998, 156 f.). |
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Nach anderer Auffassung kommt eine Pfändung dieser Ansprüche nicht in Betracht (OLG Celle JurBüro 1998, 156; LG Leipzig Rpfleger 2005, 96; LG Siegen JurBüro 1999, 158; LG Berlin JurBüro 1998, 157; LG Mannheim JurBüro 1998, 158; LG Bochum JurBüro 1998, 160; AG Gelsenkirchen JurBüro 1998, 603; AG Nienburg JurBüro 1998, 158; Pflüger, in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl., § 54 Rn 37; Schmidt, Rpfleger 2005, 97; Schuschke/Walker/Schuschke, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., Anh. zu § 829 Rn 28; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn 1369d; H. P. Westermann, in: Erman, BGB, 13. Aufl., § 401 Rn 2). |
BGH entscheidet gläubigerfeindlich
Der BGH schließt sich zum Nachteil für die Gläubiger der zweiten Auffassung an. Die Ansprüche aus § 109 SGB VI auf Erteilung von Renteninformationen und Rentenauskünften sind nicht zusammen mit der zukünftigen Forderung der Schuldnerin auf Zahlung von Renten, die gemäß § 54 Abs. 4 SGB I gepfändet werden kann (BGH NJW 2003, 1457), mitgepfändet. Die mit einer Pfändung des Hauptrechts verbundene Beschlagnahme erstreckt sich zwar ohne weiteres auch auf alle Nebenrechte, die im Falle einer Abtretung oder Übertragung kraft Gesetzes nach §§ 412, 401 BGB mit auf den neuen Gläubiger übergehen; einer gesonderten Neben- oder Hilfspfändung bedarf es dazu nicht. Das Vollstreckungsgericht kann auch auf Antrag des Gläubigers in dem das Hauptrecht pfändenden Beschluss die Mitpfändung (klarstellend) aussprechen (BGH NJW-RR 2003, 1555 m.w.N.). Um solche Nebenrechte handelt es sich bei den Ansprüchen aus § 109 SGB VI jedoch nicht.
Informationsanspruch ist kein unselbstständiges Nebenrecht
Neben den in § 401 BGB ausdrücklich genannten Rechten wird die Vorschrift unter anderem auf solche Hilfsrechte entsprechend angewandt, die zur Geltendmachung oder Durchsetzung einer Forderung erforderlich sind oder deren Trennung die Durchsetzung der Rechte gemäß der wirtschaftlichen Vermögenszuordnung oder in anderer Weise die Rechtssicherheit gefährden würde. Hierzu zählen auch Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (MüKoBGB/Roth, a.a.O. Rn 8; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl, § 401 Rn 4, jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen bei dem Anspruch auf Erteilung von Renteninformationen und Rentenauskünften nicht vor. Dieser Anspruch dient weder der Durchsetzung der gepfändeten zukünftigen Rentenansprüche noch gefährdet seine Trennung von den Rentenansprüchen deren Realisierung.
Information wird zur unmittelbaren Durchsetzung des Anspruchs nicht benötigt
Soweit die oben angeführte Gegenmeinung teilweise darauf hinweist, dass nur aufgrund der Angaben, die im Rahmen der Auskunft nach § 109 SGB VI zu machen sind, der Gläubiger in die Lage versetzt werde, im Rahmen der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seine Forderung beizutreiben, trifft dies nicht zu. Denn in der Rentenauskunft oder Renteninformation nach § 109 SGB VI ist die pfändbare Höhe des ...