Leitsatz

Der in einem Urteil enthaltene Zinsausspruch "8 % Zinsen über dem Basiszinssatz" ist vom Gerichtsvollzieher regelmäßig dahingehend auszulegen, dass Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz tituliert sind.

BGH, 7.2.2013 – VII ZB 2/12

1 I. Der Fall

Tenoriert: "8 % Zinsen über dem Basiszinssatz"

Der Gläubiger betreibt gegen die SU die Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil, dessen Urteilsformel in Ziffer 1 und 2 wie folgt lautet:

“1. Die Beklagte [= SU] wird verurteilt, an den Kläger [= Gläubiger] ab 1.12.2009 bis zu seinem Tod eine monatliche Altersrente von jeweils weiteren 934,19 EUR, fällig zum 1. eines jeden Monats, nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 25.6.2009 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 43.906,93 EUR nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 25.6.2009 zu bezahlen.“

GV lehnt Vollstreckung ab

Der Gläubiger erteilte dem GV einen Vollstreckungsauftrag, wobei er die Formulierung "8 % Zinsen über dem Basiszinssatz" als "Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz" verstanden wissen wollte. Der GV lehnte es ab, diesen Vollstreckungsauftrag durchzuführen, da ihm die Bezeichnung der Höhe der Zinsen nicht richtig erschien.

Anträge und Rechtsmittel erfolglos

Das Prozessgericht hat einen Urteilsberichtigungsantrag abgelehnt, Vollstreckung und Be­schwerdegericht haben die Erinnerung gegen die Amtsverweigerung des GV für unbegründet erachtet.

2 II. Die Entscheidung

Vollstreckungsorgan muss Titel auslegen

Der im Urteil des Landgerichts enthaltene Zinsausspruch ist vom Gerichtsvollzieher dahingehend auszulegen, dass Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz tituliert sind. Ein Vollstreckungstitel muss den im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzenden Anspruch des Gläubigers ausweisen und Inhalt und Umfang der Leistungspflicht bezeichnen (vgl. BGH NJW 1986, 1440). Bei einem Zahlungstitel muss der zu vollstreckende Zahlungsanspruch betragsmäßig festgelegt sein oder sich zumindest ohne Weiteres aus dem Titel errechnen lassen (BGH NJW 2008, 153; BGHZ 165, 223, 228 m.w.N.). Ist der Inhalt des Titels zweifelhaft, hat das Vollstreckungsorgan diesen Inhalt gegebenenfalls durch Auslegung festzustellen (BGH NJW 2008, 153; NJW 1986, 1440; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., vor § 704 Rn 26).

Für den BGH ist die Streitfrage eindeutig zu beantworten

Entsprechend diesen Grundsätzen obliegt es dem Gerichtsvollzieher, den Titel hinsichtlich des Zinsausspruchs auszulegen. Die Formulierung "8 % Zinsen über dem Basiszinssatz" ist mehrdeutig. In Betracht kommt das Verständnis, dass (lediglich) Zinsen in Höhe von 108 % des – gemäß § 247 BGB variablen – Basiszinssatzes ausgeurteilt wurden (vgl. Hartmann, NJW 2004, 1358, 1359 Fn 19; zur Gesetzesgeschichte variabler Zinssätze vgl. Coen, NJW 2012, 3329, 3331 f.). Die Formulierung kann aber auch so zu verstehen sein, dass – entsprechend der Zinsregelung in § 288 Abs. 2 BGB, die an den Basiszinssatz gemäß § 247 BGB als variable Bezugsgröße anknüpft – Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ausgeurteilt wurden. Die Auslegung des Titels ergibt, dass Letzteres zutrifft. Die Formulierung "5 % Zinsen über dem Basiszinssatz" wird in der prozessualen Praxis unbeschadet sprachlicher Ungenauigkeit ganz überwiegend gleichbedeutend mit der sich an der Zinsregelung in § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB orientierenden Formulierung "Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz" verwandt und verstanden (vgl. OLG Hamm NJW 2005, 2238; Weidlich, DNotZ 2004, 820; Führ, JuS 2005, 1095; a.M. LAG Nürnberg NZA-RR 2005, 492; offengelassen von BAG NZA 2004, 852). Für die Formulierung "8 % Zinsen über dem Basiszinssatz" gilt im Hinblick auf die Zinsregelung in § 288 Abs. 2 BGB Entsprechendes. So ist dementsprechend auch der Zinsausspruch des Landgerichts zu verstehen.

Ablehnung der Berichtigung steht dem nicht entgegen

Der Beschluss des LG, mit dem der Berichtigungsantrag des Gläubigers zurückgewiesen worden ist, ändert an der Auslegung des Zinsausspruchs dahingehend, dass Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz tituliert sind, nichts. Das LG hat in den Gründen dieses Beschlusses ausgeführt, dass es dem Klageantrag stattgeben wollte und das verkündet hat, was verkündet werden sollte. Auch der Klageantrag war nicht anders zu verstehen, als dass Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangt wurden.

3 III. Der Praxistipp

Berichtigungsantrag: falscher Weg

Der Berichtigungsantrag des Gläubigers nach § 319 ZPO war vorliegend der falsche Weg. Das LG hatte nämlich das tenoriert, was beantragt war. Ein Berichtigungsantrag kommt aber nur bei offensichtlichen Schreib- oder Rechenfehlern in Betracht.

Mit dem BGH ist jetzt alles entschieden

In der Praxis kommt es auch im elften Jahr nach der Schuldrechtsreform noch immer häufig vor, dass der Zinsantrag nicht präzise gefasst ist. Die damit einhergehenden Schwierigkeiten sind vermeidbar. Die Entscheidung des BGH entschärft die Streitfrage nach der Auslegung nun, beseit...

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