GVGA gibt die Antwort
Die Entscheidung des LG Verden steht im Einklang mit der vom Gerichtsvollzieher im konkreten Fall nicht beachteten Gerichtsvollziehergeschäftsanweisung (GVGA). Das LG stellt dabei zunächst nur auf das allgemeine Weisungsrecht des Gläubigers nach §§ 31 Abs. 2, 58 Abs. 2 GVGA ab. Weisungen des Gläubigers hat der Gerichtsvollzieher danach insoweit zu berücksichtigen, als sie mit den Gesetzen oder der Geschäftsanweisung nicht in Widerspruch stehen. Das entspricht der allgemeinen Auffassung, wonach der Gläubiger – und eben nicht der Gerichtsvollzieher – Herr des Vollstreckungsverfahrens ist und deshalb Beginn, Art, Ausmaß und Ende der Vollstreckung bestimmen darf. Der Gerichtsvollzieher hätte also normativ begründen müssen, warum die Weisung unzulässig sein soll. Das hat er nicht getan. Er hat lediglich eine Behauptung aufgestellt.
Allerdings bedurfte es gar keines Rückgriffs auf das allgemeine Weisungsrecht, weil § 107 GVGA für Pkw eine Sonderbestimmung enthält (hierzu ausführlich Goebel, Das Auto des Schuldners – sein liebstes Kind!, FoVo 2014, 154). Nach § 107 Abs. 1 S. 2 GVGA nimmt der Gerichtsvollzieher das gepfändete Fahrzeug zwar grundsätzlich in Besitz, aber gerade nicht, wenn der Gläubiger damit einverstanden ist, dass es im Gewahrsam des Schuldners bleibt, oder eine Wegnahme aus sonstigen Gründen ausnahmsweise nicht erforderlich erscheint. Im Fall des LG Verden hatte der Gläubiger – sinnvollerweise – genau eine solche Belassenserklärung abgegeben.
Belassenserklärung ist sinnvoll
Eine solche Erklärung nach § 107 Abs. 1 S. 2 ZPO abzugeben ist aus mehreren Gründen sinnvoll:
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Die hohen Kosten des Abtransportes sowie der anschließenden Verwahrung über Wochen oder Monate können dazu führen, dass erst gar keine Pfändung stattfindet. Nach § 803 Abs. 2 ZPO hat eine Pfändung nämlich zu unterbleiben, wenn sich von der Verwertung der zu pfändenden Gegenstände ein Überschuss über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht erwarten lässt. Der Wegfall des Vorschusses durch die Belassenserklärung senkt also die Schwelle der Unpfändbarkeit nachhaltig. |
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Die Praxis zeigt, dass der Schuldner auf die Pfändung des Pkw meist kommunikativ reagiert und eine gütliche Einigung mit dem Gläubiger über dessen Rechtsdienstleister sucht, so dass eine weitere Verwertung des Fahrzeuges überhaupt nicht notwendig ist. Hohe Kosten der Entfernung und Verwahrung hindern aber eine wirtschaftliche Einigung vielfach nur. |
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Nicht selten reklamieren auch Dritte Rechte an dem gepfändeten Pkw – insoweit kommt es nur auf den Gewahrsam an, § 808 ZPO –, etwa ein Kreditinstitut sein Sicherungseigentum. Zwar bestehen auch dann weitergehende Rechte (vgl. Goebel a.a.O.), allerdings kann der Pkw nicht unmittelbar verwertet werden, was hohe Kosten und ein erhebliches Vollstreckungsrisiko begründet. |
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Muss eine Verwertung erfolgen, ist es für den Gläubiger und letztlich auch den Schuldner meist günstiger, einen freihändigen Verkauf über § 825 ZPO anzustreben. Auch hier belasten die Kosten einer Verwahrung nur das wirtschaftliche Ergebnis. |
Keine Rechtsbeschwerde
Soweit ersichtlich hat der Schuldner gegen die Entscheidung des LG Verden keine Rechtsbeschwerde eingelegt. Eine höchstrichterliche Entscheidung steht damit weiter aus. Angesichts der Entscheidung des LG Verden wird es für eine Haftung des Gerichtsvollziehers nach § 839 BGB nun aber jedenfalls am Verschulden fehlen, weil er sich gesetzlich gezwungen sehen muss, die Pfändung ohne Entfernung der Sache bei entsprechender Weisung des Gläubigers vorzunehmen. Das ist für die Gerichtsvollzieher Anlass genug, erst gar nicht gegen die Belassenserklärung des Gläubigers nach § 107 GVGA zu argumentieren.
FoVo 5/2015, S. 98 - 100