Leitsatz
Der Antrag auf Einholung von Drittauskünften stellt eine besondere gebührenrechtliche Angelegenheit dar und führt deshalb zum Anfall einer 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG.
LG Frankfurt, Beschl. v. 25.5.2016 – 2-09 T 20/16
1 I. Der Fall
Antrag auf PfÜB mit Gebühr für Drittauskunft
Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin wegen einer Hauptforderung in Höhe von 12.000 EUR nebst Zinsen (3.621,17 EUR) und Kosten (2.271,53 EUR), insgesamt in Höhe von 17.892,70 EUR die Zwangsvollstreckung. Im Rahmen der Beantragung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB) begehrt sie nach der Forderungsaufstellung u.a. eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG i.H.v. 228,80 EUR für die Einholung einer Drittauskunft nach § 802l ZPO.
AG lehnt ab: keine eigene Angelegenheit
Das AG hat den Antrag auf Erlass des PfÜB hinsichtlich der 0,3-Verfahrensgebühr zurückgewiesen. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG sei eine Gebühr für die Einholung von Auskünften nicht gesondert abzurechnen, da eine gebührenrechtliche Einheit mit dem Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft bestehe. Es liege deshalb lediglich die Fortsetzung des Verfahrens auf Abnahme der Vermögensauskunft und keine weitere Vollstreckungsmaßnahme vor.
Gläubiger verweist auf Gegenargumente
Hiergegen wendet sich die Gläubigerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Bei der Einholung von Drittauskünften handelt es sich um eine besondere Angelegenheit, die nicht in innerem Zusammenhang mit der Vermögensauskunft stehe und zudem auch einen anderen Zweck verfolge. § 802a Abs. 2 ZPO sehe explizit die Drittauskünfte als eigene und besondere Vollstreckungsform.
2 II. Aus der Entscheidung
Vergütungsanspruch besteht
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Gläubigerin steht eine gesonderte 0,3-Verfahrensgebühr für die Einholung von Auskünften nach § 802l ZPO i.V.m. Nr. 3009 VV RVG in Höhe von 228,80 EUR zu. Dem von der Gläubigerin beantragten PfÜB ist insoweit stattzugeben.
Entgegen der Ansicht des AG ist der Antrag nach § 802l ZPO auf Auskunftseinholung eine Vollstreckungsmaßnahme aus dem Katalog des § 802a Abs. 2 ZPO und löst damit die 0,3-Verfahrensgebühr der Nr. 3009 VV RVG aus (Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 802l Rn 11).
Unerheblich: Verfahrensgebühr für die Vermögensauskunft
Dem steht nicht entgegen, dass bereits der Antrag der Gläubigerin auf Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO eine 0,3-Gebühr nach Nr. 3309 VV RVG ausgelöst hat. Denn beide Anträge stellen gesonderte Vollstreckungsmaßnahmen dar, die jeweils gesondert eine Rechtsanwaltsgebühr auslösen und nicht als eine Angelegenheit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG anzusehen sind.
Streitfrage ist höchstrichterlich nicht entschieden
Die Frage, ob der Antrag auf Einholung von Drittauskünften nach § 802 ZPO neben § 802c ZPO eine eigene Angelegenheit darstellt oder als Fortführung zu dem Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft gehört, ist, soweit ersichtlich, bisher höchstrichterlich nicht entschieden worden (Rohn, in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, § 18 Rn 27). Der BGH hat zwar entschieden, dass es sich bei der anwaltlichen Anfrage beim Einwohnermeldeamt um eine bloße Vorbereitungshandlung für eine bevorstehende Klage oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen handelt, die keine gesonderte Gebühr auslöst (BGH, 12.12.2003 – IXa ZB 234/03). Bei dem entschiedenen Fall handelt es sich aber nicht um den gesetzlich normierten Fall der vom Gerichtsvollzieher eingeholten Drittauskünfte nach § 802l ZPO.
LG: Drittauskünfte sind eigene Angelegenheit
Die Kammer vertritt die Auffassung, dass es sich bei diesem Antrag nach § 802l ZPO um eine eigene Angelegenheit handelt, die gesondert abzurechnen ist und nicht unter § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG fällt. Dafür spricht zunächst, dass beide Anträge gesondert gesetzlich geregelt sind und nach der einschlägigen Kommentarliteratur jeweils einen Gebührentatbestand nach Nr. 3309 VV RVG auslösen sollen, ohne dass insoweit eine Einschränkung erkennbar wäre. Insbesondere soll nach der einschlägigen Literatur auch der Antrag nach § 802l ZPO auf Auskunftseinholung eine Verfahrensgebühr auslösen, obwohl diesem Antrag zwangsläufig der Antrag nach § 802c ZPO, der bereits eine 0,3-Gebühr ausgelöst hat, zeitlich vorangegangen ist (Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 802l Rn 11; Stöber, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 802l Rn 16).
LG: eigenes Verfahren und kein bloßer Annex
Auch nach dem Sinn und Zweck des § 802 ZPO sprechen die besseren Gründe dafür, den Antrag auf Drittauskünfte als eigene Vollstreckungsmaßnahme zu betrachten. Im Zusammenhang mit der Erteilung eines Auftrags für eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme und des Antrags auf Einleitung des Verfahrens zur Abgabe der Vermögensauskunft kann nicht davon ausgegangen werden, dass darin auch ein Antrag zur Ermittlung umfassender Auskünfte über die Verhältnisse des Schuldners enthalten ist. Dies erfordert vielmehr einen eigenen Antrag, weil der Schuldner der Selbstauskunft nicht nachgekommen ist oder eine Gläubigerbefriedigung nicht zu erwarten ist und der Gläubiger sich ...