Leitsatz
Daten über Konten Dritter mit Verfügungsmacht des Schuldners sind für Zwecke der Vollstreckung erforderlich und deshalb nicht gemäß § 802I Abs. 2 ZPO zu löschen. Der Gerichtsvollzieher (GV) ist deshalb nicht befugt, die Personalien von Drittkontoinhabern, über deren Konten der Schuldner verfügungsberechtigt ist, bei Auskunftserteilung an den Gläubiger zu schwärzen.
AG Kirchhain, Beschl. v. 29.8.2017 – 5 M 1110/17
1 I. Der Fall
Antrag auf Drittauskünfte
Der Gläubiger beauftragte den GV, über den Schuldner aufgrund eines Vollstreckungsbescheids, u.a. mit dem Ersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern, bei den Kreditinstituten die in § 93b Abs. 1 der AO bezeichneten Daten abzurufen. Auf das vom Gerichtsvollzieher gestellte Kontenabrufersuchen erteilte das Bundeszentralamt für Steuern Auskunft. In der entsprechenden Auskunft waren auch Konten aufgeführt, bei denen der Schuldner nicht Kontoinhaber, jedoch Verfügungsberechtigter war.
GV löscht Drittschuldner
Der GV übersandte die entsprechenden Auskünfte an die Gläubigerin, schwärzte jedoch die Personalien von Drittenkontoinhabern, für deren Konten der Schuldner verfügungsberechtigt ist. Auf die hiergegen eingelegte Erinnerung erklärte der GV schriftlich, der Erinnerung nicht abzuhelfen.
2 II. Die Entscheidung
Schuldner wird zum Rechtsmittel nicht angehört
Die Entscheidung über die Erinnerung erfolgt ohne rechtliches Gehör des Schuldners, da andernfalls ein durch § 802I ZPO bezweckter Vollstreckungserfolg der Gläubigerin gefährdet wäre. Gemäß § 802I Abs. 3 ZPO wird der Schuldner erst vier Wochen nach dem Gläubiger über das Ergebnis des Auskunftsersuchens in Kenntnis gesetzt. Dadurch soll erreicht werden, dass der Schuldner nicht noch schnell Kontoverfügungen vornehmen und den Vollstreckungserfolg der Gläubigerin gefährden kann.
Daten des Kontoinhabers sind erforderlich
Mit der wohl herrschenden Meinung der Rechtsprechung ist das AG der Auffassung, dass Daten über Konten Dritter mit Verfügungsmacht des Schuldners für Zwecke der Vollstreckung erforderlich sind und deshalb nicht gemäß § 802I Abs. 2 ZPO zu löschen sind. Diese Konten Dritter können zwar nicht selbst Gegenstand einer Pfändung des Gläubigers sein. Jedoch ist zu beachten, dass nicht selten Schuldner zur Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr nicht eigene Konten benutzen, sondern Konten von ihnen nahestehenden Personen, wobei sich der Schuldner die notwendige Verfügungsbefugnis einräumen lässt. Solche Konstruktionen sollen nun offenbar werden. Zwar kann nicht unmittelbar in das Konto Dritter gepfändet werden, pfändbar ist jedoch ein Herausgabeanspruch des Schuldners gegen den Dritten nach § 667 BGB.
Der Gerichtsvollzieher war daher anzuweisen, die entsprechenden Auskünfte ungeschwärzt zu erteilen.
3 Der Praxistipp
Problem und Lösung des Schuldners
Die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr ist heute unabdingbar. Es ist kaum vorstellbar, dass ein Arbeitgeber den Lohn bar auszahlt. Auch können Vermieter, Stromversorger oder Telekommunikationsunternehmen kaum bar bezahlt werden. Erhält der Schuldner kein P-Konto oder sind ihm die Kosten dafür zu hoch, wird nicht selten eine nahestehende Person gebeten, den bargeldlosen Zahlungsverkehr über ihr Konto abzuwickeln. Dabei kommen zwei Varianten in Betracht:
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Der Dritte nimmt die Zahlungen Dritter an den Schuldner auf dem auch von ihm genutzten Konto in Empfang und zahlt die Rechnungen des Schuldners, ohne dass der Schuldner selbst verfügt. |
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Der Dritte richtet auf seinen Namen ein weiteres Konto ein und erteilt dem Schuldner eine eigenständige Verfügungsbefugnis. |
Schuldner begründet so ein Auftragsverhältnis
Die Handlungsweise des Dritten ist nicht nur eine Gefälligkeit, sondern begründet ein Auftragsverhältnis zwischen ihm und dem Schuldner nach § 662 BGB. Der Schuldner ist der Auftraggeber, der Dritte der Auftragnehmer. Gegenstand des Auftrages ist die Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. § 667 BGB ordnet nun an, dass der Auftragnehmer das in Ausführung des Auftrages Erlangte an den Auftraggeber herauszugeben hat. Genau diesen Herausgabeanspruch kann der Gläubiger nach §§ 829, 846, 835 ZPO pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Der Dritte muss dann etwa den Arbeitslohn des Schuldners, der auf seinem Konto eingeht, an den Gläubiger auskehren.
Hinweis
Der besondere Vorteil liegt darin, dass dem Schuldner kein Pfändungsschutz zukommt. Dies gilt auch dann, wenn der Dritte insoweit ein Pfändungsschutzkonto unterhält. Drittschuldner ist nämlich nicht die Bank, an die sich § 850k ZPO richtet, und es wird auch kein Anspruch auf das Kontoguthaben nach § 833a ZPO gepfändet, sondern eben ein Anspruch aus § 667 BGB mit dem Dritten als Drittschuldner.
Drittauskünfte können Lösung aufdecken
Die Drittauskünfte nach § 802l ZPO können zwar die erste Lösung des Schuldners nicht offenbar werden lassen, sehr wohl aber die zweite. Die Drittauskünfte beim Bundeszentralamt für Steuern offenbaren nämlich nicht nur die Konten, deren Inhaber der Schuldner ist, sondern auch diejenigen, bei denen dem Schuldner eine Verfügungsb...