Leitsatz

Liegt für einen Gläubiger ein Haftbefehl nach § 901 ZPO a.F. vor, kann dieser Gläubiger keinen Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO stellen, solange der Haftbefehl noch nicht verbraucht ist.

AG Augsburg, 26.2.2013 – 1 M 1472/13

1 I. Der Fall

Vollstreckung Haftbefehl nach altem Recht vorrangig?

Aufgrund Kombiauftrages der Gläubigerin vom 27.9.2012 wurde am 9.1.2013 Haftbefehl nach § 901 ZPO a.F. wegen Nichterscheinens zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 19.12.2012 erlassen (01 M 161/13). Mit Schreiben vom 17.1.2013 stellte die Gläubigerin Antrag auf Abgabe einer Vermögenauskunft nach neuem Recht (§§ 802a Abs. 2 Nr. 2, 802c ZPO). Die GV lehnte den Auftrag ab, weil der Gläubigerin das Rechtsschutzinteresse fehle. Sie müsse den Haftbefehl vollstrecken. Hiergegen wendet sich die Gläubigerin mit ihrer Vollstreckungserinnerung und reklamiert die Beendigung des Erstverfahrens durch den Erlass des Haftbefehls.

2 II. Die Entscheidung

AG sieht Sperre durch den Haftbefehl

Die Gläubigerin kann derzeit keinen Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO n.F. stellen, weil sie einen Haftbefehl nach § 901 ZPO a.F. hat, so dass sie nur eine Vermögensoffenbarung nach § 807 ZPO a.F. beantragen kann, wobei wegen des Vorliegens des Haftbefehls nach § 901 ZPO a.F. das Verhaftungsverfahren durchzuführen ist.

Jahreswechsel entscheidet über maßgebliches Recht

Am 1.1.2013 ist das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29.7.2009 in Kraft getreten. Nach der Übergangsvorschrift des § 39 Nr. 1 EGZPO kommt es für die Frage der Anwendung des neuen oder alten Rechts darauf an, ob der Vollstreckungsauftrag vor oder nach dem 1.1.2013 beim Gerichtsvollzieher "eingegangen" ist, wenn es dort heißt: "Für Vollstreckungsaufträge, die vor dem 1.1.2013 beim Gerichtsvollzieher eingegangen sind".

Aber: Offenbarungsverfahren noch nicht abgeschlossen

Obwohl hier der Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft vom 17.1.2013 nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung bei der Gerichtsvollzieherin eingegangen ist, ist altes Recht maßgeblich, weil die Gläubigerin wegen des Haftbefehls überhaupt keinen Antrag nach § 802c ZPO stellen kann (a.A. wohl Harnacke/Bungardt, DGVZ 2013, 12 zur Verhaftung; Mroß, DGVZ 2012, 173). Das ursprüngliche Offenbarungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen, sondern kann und muss von der Gläubigerin aufgrund des Haftbefehls nach § 901 ZPO a.F. fortgeführt werden, wenn sie eine Vermögensoffenbarung erreichen möchte.

Argument: Gesetzesbegründung

Dies lässt sich der Gesetzesbegründung entnehmen, wenn dort im Zusammenhang mit der nach § 39 Nr. 5 EGZPO angeordneten Fortführung des Schuldnerverzeichnisses von einer Übergangszeit von drei bis fünf Jahren ausgegangen wird (BT-Drucks 16/10069, zu Art. 5 Abs. 5 Satz 4). Würde man dagegen annehmen, dass ein Gläubiger, der mit einem noch vollstreckbaren Haftbefehl nach § 901 ZPO a.F. nun nach § 802c ZPÜ n.F. vorgehen kann, ergäbe die Annahme einer fünfjährigen Übergangsfrist keinen Sinn.

Argument: Übergangsvorschrift

Darüber hinaus ergibt sich aus § 39 Nr. 3 ZPO, dass das alte Verfahren weitergeführt werden muss. Dort steht u.a., dass die eidesstattliche Versicherung nach § 284 AO a.F. abgegeben werden muss, wenn die Auskunftserteilung nach § 284 Abs. 6 Satz 2 AO a.F. vor dem 1.1.2012 angeordnet wurde, also nicht nach neuem Recht die Vermögensauskunft nach § 284 AO n.F. verlangt werden kann. Dass der Gesetzgeber die Vermögensoffenbarung nach der ZPO und der AO unterschiedlich bei Vorliegen eines Haftbefehls nach altem Recht behandeln möchte, ist nicht erkennbar.

3 III. Der Praxistipp

Die Entscheidung des AG überzeugt in der Begründung wie im Ergebnis nicht.

Hinweis auf Gesetzesbegründung fehlerhaft

Die Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung trägt nicht, weil übersehen wird, dass nach altem Recht (§ 915a ZPO a.F.) die Löschungsfrist für eine Eintragung im Schuldnerverzeichnis drei Jahre beginnend mit dem Schluss des Jahres beträgt, in dem die eidesstattliche Versicherung abgegeben, die Haft angeordnet oder die sechsmonatige Haftvollstreckung beendet worden ist. Damit ist eine drei- bis fünfjährige Übergangsfrist auch dann möglich, wenn nur auf Altanträge abgestellt wird, da § 915a ZPO a.F. gemäß der Übergangsregelung in § 39 Nr. 1 und 5 S. 2 EGZPO für Altanträge fortgilt.

 

Beispiel

Drei Fälle sind denkbar, die zu einer drei bis fünfjährigen Übergangsfrist führen:

Wenn der Gläubiger noch im Jahre 2012 einen Antrag auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach § 807, 900 ZPO a.F. gestellt hat und der Schuldner auch noch in 2012 die e.V. abgegeben hat, beginnt die Löschungsfrist nach § 915a ZPO mit Ablauf des 31.12.2012 und endet drei Jahre später mit Ablauf des 31.12.2015.
Wenn zwar der Antrag 2012 gestellt wurde, der Schuldner die eidesstattliche Versicherung aber erst im Jahre 2013 abgegeben hat, beginnt die Frist erst mit Ablauf des 31.12.2013 und endet damit mit Ablauf des vierten auf die Antragstellung folgenden Jahres, d.h. dem 31.12.2016.
Wurde der Antrag 2012 g...

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