Leitsatz
Die vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwaltes nach erfolglosen Mahnversuchen des Gläubigers ist auch bei einem "gewerblichen Großvermieter" erforderlich und zweckmäßig. Die dabei entstandenen Kosten sind ohne Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht erstattungsfähig.
AG Pinneberg, 24.5.2016 – 81 C 141/14
1 I. Der Fall
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Mietnebenkosten aus der Betriebskostenabrechnung 2011 von der Heizkostenabrechnung 2012 nebst vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend. Die Beklagte ist dem mit Einwendungen gegen die Abrechnung entgegengetreten und sieht in der vorgerichtlichen Beauftragung eines Rechtsanwaltes einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht.
2 II. Aus der Entscheidung
RA-Beauftragung zweckmäßig und erforderlich
Die Rechtsanwaltskosten sind erstattungsfähig gemäß §§ 280, 286 BGB, da die Klägerin nicht ihre Schadensminderungspflicht verletzt hat. Die Kosten sind zu erstatten, wenn sie nach Eintritt des Verzuges erfolgt sind und aus Sicht des Gläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH DR 2015,754). Die beklagte Partei hat zwar zu Recht eingewandt, dass ein großer gewerblicher Vermieter ohne weiteres in der Lage sei, Mahnschreiben selber abzufassen. Mit der gleichwohl erfolgten Beauftragung eines Rechtsdienstleisters verletze der gewerbliche Vermieter seine Schadensminderungspflicht aus § 254 BGB (AG Pfaffenhofen v. 17.2.2014 – 1 C 61/14, juris).
Kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht
Dies trifft im vorliegenden Fall jedoch nicht zu. Die Klägerin ist zwar ein großer gewerblicher Vermieter. Sie hat aber die ersten Mahnschreiben und auch die Beanstandungsschreiben des Mietervereins zuerst durch das eigene Unternehmen beantwortet. Erst als die Mahnungen und das Antwortschreiben auf die Beanstandungen ohne Erfolg blieben, wurde das Rechtsanwaltsbüro mit der Wahrnehmung der Interessen beauftragt. Damit hat die Klägerin – entsprechend den Vorgaben der Rechtsprechung – erst nach Verzugseintritt und nach erfolglosem schriftlichem Austausch mit dem Mieterverein über die streitigen Fragen rechtlichen Beistand beauftragt. Damit liegt kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vor.
1,3-Gebühr ist gerechtfertigt
Für die rechtliche Prüfung der Betriebskostenabrechnung und der Beanstandungen des Mietervereins durfte auch eine Geschäftsgebühr von 1,3 nach Nr. 2300 VV RVG abgerechnet werden, da es sich nicht nur um ein einfaches Mahnschreiben handelte, sondern eine darüber hinausgehende anwaltliche Tätigkeit geboten war.
3 Der Praxistipp
In der Praxis wird insbesondere Großunternehmen immer wieder das Recht abgesprochen, nach erfolglosen vorgerichtlichen Mahnungen einen Rechtsdienstleister, d.h. einen Rechtsanwalt oder ein registriertes Inkassounternehmen, mit der weiteren Wahrnehmung der rechtlichen Interessen zu beauftragen (zur Problematik umfassend Goebel, FoVo 2015, 121). Dabei wird nicht etwa geltend gemacht, dass weitergehende vorgerichtliche Bemühungen nicht erfolgversprechend seien. Vielmehr wird als Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht angesehen, dass das Unternehmen in der Lage sei, die weitere vorgerichtliche Forderungsbeitreibung auch nach Verzugseintritt selbst vorzunehmen. Diese Argumentation kann nicht durchdringen.
Die Forderung nach einer weiteren Tätigkeit des Gläubigers übersieht, dass dieser dazu zwar in der Lage sein mag – was zunächst eine nicht nachgewiesene Behauptung ist –, jedoch nicht dazu verpflichtet ist. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH (NJW 2015, 3793) hat der Gläubiger das seinerseits Erforderliche getan, wenn er den Schuldner in Verzug begründender Art und Weise gemahnt hat. Weiter gehen seine vertraglichen wie gesetzlichen Pflichten nicht. Dies gilt nach dem BGH in gleicher Weise für einen privaten wie einen unternehmerischen Gläubiger. Der BGH hat dabei keinen Unterschied im Hinblick auf die Größe des Unternehmens gemacht.
Hinweis
Die Schadensminderungspflicht umfasst nicht die Verpflichtung gegenüber dem Schuldner, die eigene Unternehmensorganisation auf die Forderungsbeitreibung nach einer Pflichtverletzung des Schuldners auszurichten.
Der Gläubiger ist auch nicht gehalten, unmittelbar nach seinen eigenen vorgerichtlichen Mahnungen in das gerichtliche Mahnverfahren überzugehen. Vielmehr zeigt die Praxis, dass die Übergabe der Forderungsbeitreibung an einen Rechtsdienstleister dem Zahlungsanspruch einen hinreichenden Nachdruck verleiht, so dass es noch vorgerichtlich zum Forderungsausgleich kommt. Genau dieses Recht räumte der BGH dem Gläubiger ein (BGH NJW 2015, 3793). Das sieht das AG Pinneberg zu Recht ebenso (so auch aktuell AG Holzminden v. 18.5.2016 – 10 C 181/15; AG Cochem v. 1.6.2015 – 22 C 259/15).
FoVo 6/2016, S. 119 - 120