Das Problem des Schuldners und des Neugläubigers
So mancher Schuldner bekommt es einfach nicht hin: Obwohl er sich in der Verbraucherinsolvenz befindet, seine selbstständige Tätigkeit zum Erhalt und Aufbau einer wirtschaftlichen und sozialen Existenz freigegeben wurde, kommt es zu neuen Schulden. Für den Neugläubiger eine missliche Situation, weil seine Befriedigungschancen nicht hoch sind. Hier gibt die BGH-Entscheidung allerdings eine Option, künftig die Befriedigungschancen deutlich zu verbessern.
Die Lösung für den Neugläubiger
Soweit durch die Freigabe des Insolvenzverwalters Vermögen oder Einkommen aus der Insolvenzmasse ausscheidet, unterliegt es ebenso wie das insolvenzfreie Vermögen (wieder) der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners. Neugläubiger, die keine Insolvenzforderung beitreiben, können damit auf diese Gegenstände und Rechte im Wege der Zwangsvollstreckung zugreifen. Im konkreten Fall könnte deshalb ein Neugläubiger die Auszahlungsansprüche des Arztes gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung pfänden.
Der Pfändungsschutz für den Schuldner
In diesem Fall genießt der Schuldner den Pfändungsschutz nach den §§ 850 ff. ZPO, insbesondere nach § 850i ZPO. Werden nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, gepfändet, so hat das AG danach dem Schuldner auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, wie ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Bei der Entscheidung sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners, insbesondere seine sonstigen Verdienstmöglichkeiten, frei zu würdigen. Der Antrag des Schuldners ist insoweit abzulehnen, als überwiegende Belange des Gläubigers entgegenstehen.
Hinweis
Zwar hat der Schuldner auch einen Unterhaltsanspruch gegen die Insolvenzmasse nach § 100 InsO. Allerdings wird man diesen als nachrangig ansehen müssen, weil er nur den Nachteil ausgleichen soll, dass der Schuldner grundsätzlich seinen Neuerwerb während des Insolvenzverfahrens und der Wohlverhaltensphase der Insolvenzmasse zur Verfügung stellen muss. Ist dies – wie hier – nach der Freigabe nicht der Fall, muss § 100 InsO hinter § 850i ZPO zurücktreten. Allerdings wird die Praxis zu sehen sein, wenn die Unterhaltsgewährung durch die Gläubigerversammlung vor der Pfändung erfolgte. Rein faktisch tritt dann doch § 850i ZPO möglicherweise hinter § 100 InsO zurück, weil gar kein Pfändungsschutzantrag gestellt wird und die Gläubigerversammlung ihren Beschluss nicht rückgängig macht.
FoVo 6/2018, S. 108 - 112