Leitsatz
Ein Gerichtsvollzieher ist auch bei Unterschreitung einer Wertgrenze von 500 EUR für die beizutreibende Forderung zur Einholung von Drittauskünften bei der Deutschen Rentenversicherung Bund verpflichtet, wenn der Gläubiger dies beantragt. Der maßgeblichen aktuellen Fassung des § 802l Abs. 1 ZPO ist eine solche Wertgrenze nicht mehr zu entnehmen. Der Gesetzgeber hat sich bewusst und gewollt für deren Abschaffung entschieden.
LG Bonn, Beschl. v. 31.8.2017 – 4 T 309/17
1 I. Der Fall
Vollstreckung wegen 165,38 EUR
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid wegen einer Hauptforderung von 165,38 EUR nebst Zinsen und Kosten. Unter dem 20.6.2017 erteilte sie der GV den Auftrag zur Abnahme der Vermögensauskunft sowie gegebenenfalls der Einholung von Auskünften Dritter, namentlich bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung.
VA abgegeben, Drittauskünfte verweigert
Mit Schreiben vom 26.6.2017 teilte die GV der Gläubigerin mit, dass der Schuldner bereits am 5.8.2015 die Vermögensauskunft abgegeben habe. Die Einholung von Drittauskünften bei der Deutschen Rentenversicherung sei trotz zwischenzeitlicher Gesetzesänderung unterhalb einer Forderung von 500 EUR nicht möglich, da im "Reparaturgesetz" § 74a SGB X "vergessen" worden sei. Die Vollstreckungsunterlagen sandte sie zurück.
Erinnerung erfolglos
Unter dem 7.7.2017 erinnerte die Gläubigerin gegen die Ablehnung der GV. Diese Erinnerung hat das AG mit der vorliegenden angefochtenen Entscheidung vom 3.8.2017 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die sofortige Beschwerde. Das AG hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache mit richterlicher Entscheidung der Kammer vorgelegt.
2 II. Die Entscheidung
LG folgt dem Gläubiger
Die gemäß § ZPO § 793 ZPO statthafte Beschwerde ist insgesamt zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die GV ist vorliegend nicht berechtigt, die Einholung von Drittauskünften im Sinne des § 802l Abs. 1 Nr. 1 ZPO mit der Begründung zu verweigern, diese seien von der Überschreitung einer Wertgrenze in Höhe von 500 EUR abhängig.
ZPO sieht keine Wertgrenze vor
Der maßgeblichen aktuellen Fassung des § 802l Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist eine solche Wertgrenze, wie sie allerdings früher gesetzlich bis zum 25.11.2016 bestanden hat, nicht zu entnehmen. Der Gesetzgeber hat sich – anders als die GV meint – bewusst und gewollt für eine Abschaffung der Wertgrenze entschieden, gerade um Einschränkungen bei der Vollstreckung kleinerer Forderungen zu beseitigen (vgl. BT-Drucks 18/9698, S. 23 f).
Schranke im SGB X ändert nichts
Auch § 74a SGB X vermag die Weigerung nicht zu rechtfertigen. Diese Norm bezieht sich zunächst ausdrücklich auf die Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Ansprüche, kann mithin von vornherein vorliegend nicht zum Tragen kommen. Der GV wird auch nicht abverlangt, Unzutreffendes im Rahmen der Einholung von Drittauskünften zu bestätigen. Der letzte Satz in § 74a Abs. 2 SGB X bezieht sich ersichtlich nicht darauf, dass ein Erreichen der Wertgrenze seitens der Gerichtsvollzieherin bestätigt wird, sondern auf die Voraussetzungen, wie sie in § 74a Abs. 2 S. 3 SGB X festgehalten sind. Sie hat daher lediglich zu bestätigen, dass der Schuldner seiner Verpflichtung zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkommt, eine Vollstreckung in die in einer Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenständige eine vollständige Befriedigung des Gläubigers nicht erwarten ließe oder der Aufenthalt des Schuldners unbekannt ist.
GV muss Auftrag ausführen
Da es des Erreichens einer Wertgrenze im Rahmen des § 802l Abs. 1 ZPO nicht mehr bedarf (vgl. auch Thomas/Putzo, 38. Aufl., ZPO § 802l Rn 5), war die Weigerung der GV unberechtigt. Der Beschwerde konnte ein Erfolg daher nicht versagt werden.
Keine Rechtsbeschwerde
Veranlassung, die Sache zwecks Zulassung der Rechtsbeschwerde auf die Kammer zu übertragen, bestand nicht.
3 Der Praxistipp
Für die Einzelzwangsvollstreckung richtig
Zunächst gibt es keinen Zweifel, dass die Entscheidung für die zivilprozessuale Behandlung eines Gläubigerantrages nach § 802l ZPO richtig ist. Der GV ist nicht der Mitarbeiter des Trägers der Rentenversicherung. Insoweit hat der GV nur zu prüfen, ob er verpflichtet ist, ein entsprechendes Auskunftsersuchen beim Träger der Rentenversicherung anzubringen. Diese Verpflichtung scheitert jedenfalls nicht an einer Wertgrenze, weil die allein für den GV maßgebliche Norm des § 802l ZPO eine solche nicht (mehr) vorsieht.
Öffentlich-rechtliche Behandlung ist davon gesondert zu betrachten
Ob dem Gläubiger diese Erkenntnis tatsächlich weiterhilft, ist allerdings fraglich. Von der Handlungsverpflichtung des GV ist nämlich die entsprechende Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers zu unterscheiden. Während für den GV allein § 802l ZPO maßgeblich ist, ist für die Rentenversicherung primär § 74a SGB X heranzuziehen. Dort werden in Abs. 2 explizit für die Fälle der Durchführung eines Vollstreckungsverfahrens die Auskunftsrechte gegenüber dem GV von einer Wertgrenze abhängig gemacht. Die sozialrechtliche Beurteilung der Wertgrenze sieht aber...