Leitsatz
Übersteigt der konkrete Lebensbedarf des Schuldners zuzüglich der Kosten einer notwendig unterhaltenen privaten Krankenversicherung den Pfändungsfreibetrag nach § 850k Abs. 1 ZPO nicht, kommt eine Erhöhung des Freibetrages um die Kosten der privaten Krankenversicherung nicht in Betracht.
AG Wismar – Zweigstelle Grevesmühlen, 3.6.2016 – 32 M 1832/15
1 I. Der Fall
Der Gläubiger betreibt die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner und hat dessen Ansprüche aus dem Kontokorrentvertrag mit der Drittschuldnerin (Kreditinstitut) gepfändet. Bei dem gepfändeten Konto handelt es sich um ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto). Der Schuldner begehrt die Erhöhung seines unpfändbaren Betrages aufgrund besonderer finanzieller Belastungen mit Beiträgen zur privaten Krankenversicherung nach den §§ 850k Abs. 4, 850f Abs. 1, 850e Nr. 1 ZPO.
2 II. Die Entscheidung
Der zulässige Antrag ist unbegründet. Gemäß § 850f Abs. 1 lit. a ZPO kann das Vollstreckungsgericht dem Schuldner auf Antrag von dem nach den Bestimmungen der §§ 850k Abs. 4, 850c und e ZPO pfändbaren Teil seines Guthabens einen Teil belassen, wenn nachgewiesen wird, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen entsprechend der Anlage zu § 850c ZPO der notwendige Lebensunterhalt im Sinne des 3. und 11. Kapitels SGB XII ( … ) für ihn und für die Personen, denen er Unterhalt zu gewähren hat, nicht gedeckt ist.
Die Eingänge auf dem Pfändungsschutzkonto setzen sich zusammen aus 300 EUR unpfändbarer Haftentschädigung (§ 17a StrRehaG), 692,28 EUR gesetzlicher Rente und 450 EUR Bezügen aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis, insgesamt also 1.442,28 EUR.
Der Grundfreibetrag von 1.073,88 EUR soll den notwendigen Lebensunterhalt sicherstellen. Bei Ermittlung durch das Vollstreckungsgericht ergibt sich:
Regelbedarf SGB II/XII, alleinstehend |
404,00 EUR |
durchschnittliche Kaltmiete, alleinstehend bis 50 m² |
|
Durchschnittsmietpreis 4,83 EUR |
241,50 EUR |
30 % Heizkostenpauschale von der Kaltmiete |
72,45 EUR |
50 % Arbeitsanreiz/Werbungskosten |
202,00 EUR |
Betrag zur Deckung des notwendigen Lebensbedarfs |
919,95 EUR |
Mit dem Antrag begehrt der Schuldner die Erhöhung des unpfändbaren Betrages nach § 850c ZPO um weitere 170 EUR monatlich für Ausgaben in der privaten Krankenversicherung, da eine Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht möglich ist. Zwischen dem bereits bestehenden Grundfreibetrag in Höhe von 1.073,88 EUR und dem ermittelten notwendigen Bedarf in Höhe von 919,95 EUR ist bereits ein weiterer Betrag von 153,93 EUR unpfändbar, so dass eine Erhöhung gegebenenfalls lediglich um einen Betrag von 16,07 EUR auf 1.089,95 EUR in Betracht käme. Die Garantiebescheinigung der Schuldnerberatung, welche für das Kreditinstitut als Drittschuldner gemäß § 850k Abs. 5 ZPO Grundlage der Ermittlung des unpfändbaren Betrages sein kann, geht jedoch bereits weit über diesen Betrag hinaus. Eine Erhöhung durch das Vollstreckungsgericht ist daher nicht notwendig.
Der Schuldner wurde mit Schreiben vom 5.4.2016 sowie vom 12.5.2016 aufgefordert, entsprechende Belege einzureichen, die geeignete Grundlage für die Bemessung seines notwendigen Lebensbedarfes sein können. Dieser Aufforderung ist der Schuldner innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen. Der Gläubiger wurde zu dem Antrag gehört. Eine Stellungnahme ist nicht eingegangen.
3 Der Praxistipp
Kontopfändung besser als Pfändung an der Quelle
Der geschilderte Sachverhalt zeigt sehr deutlich, dass an der Quelle unpfändbare Beträge durch die Summierung auf einem Konto zu einem Pfändungserfolg des Gläubigers führen können, wenn er Ansprüche aus der Kontokorrentverbindung gepfändet hat. Jeder der drei Einzelbeträge, die auf dem Konto als Gutschriften eingehen, ist für sich genommen unpfändbar. In der Summe überschreiten die Beträge jedoch den dort pfändungsfreien Betrag von 1.073,88 EUR.
SU und Gericht übersehen § 765a ZPO
Der Schuldner hat vorliegend den Fehler gemacht, dass er seinen Antrag auf die von ihm zu entrichtenden Krankenversicherungsbeiträge gestützt hat. Sinnvollerweise hätte er einen Antrag nach § 765a ZPO gestellt mit dem Ziel, die Haftentschädigung als zusätzlichen Pfändungsfreibetrag zu erlangen. Im Rahmen des § 775a ZPO hätte das Vollstreckungsgericht die Wertung des § 17a Abs. 5 StrRehaG berücksichtigen müssen, nach dem der Anspruch auf die besondere Zuwendung für Haftopfer unpfändbar, nicht übertragbar und nicht vererbbar ist. Dem Guthaben von 1.442,28 EUR würde dann ein Freibetrag in Höhe von 1.373,88 EUR gegenüberstehen, so dass lediglich 68,40 EUR pfändbar wären. Von den vom Schuldner pfändungsfrei begehrten 170 EUR wären danach schon über 100 EUR pfandfrei.
Hinsichtlich dieses Betrages hätte es tatsächlich dem Schuldner oblegen, einen erhöhten persönlichen Lebensbedarf geltend zu machen. Anders als vom Vollstreckungsgericht vorgenommen wären dabei auch die weiteren Alternativen des § 850f Abs. 1 ZPO zu prüfen gewesen. Es stellt sich insbesondere die Frage, ob es sich bei der privaten Krankenversicherung um einen besonderen persönlic...