Leitsatz
Hat der Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung einen anderen Streitgegenstand als der titulierte Anspruch, kann der Schuldner gegenüber dem Feststellungsbegehren des Gläubigers einwenden, der Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung sei verjährt.
Rechtskräftig festgestellt sind alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die vom Streitgegenstand umfasst sind, über den mit dem Titel entschieden wurde.
Der Anspruch aus vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht hat einen anderen Streitgegenstand als ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch.
Ansprüche auf Unterhalt und auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht kann der Gläubiger gleichzeitig nebeneinander geltend machen; die Hemmung, die Ablaufhemmung und der erneute Beginn der Verjährung des einen Anspruchs erstrecken sich nicht auf den anderen Anspruch.
Der Schadensersatzanspruch aus einer vorsätzlichen Verletzung der Unterhaltspflicht ist eine Familienstreitsache.
BGH, 3.3.2016 – IX ZB 33/14
1 I. Aus dem Sachverhalt
Rückständiger Unterhalt wird tituliert
Der Schuldner war verheiratet, hatte zwei Kinder und zahlte nach der Trennung 1994 keinen Unterhalt, so dass die Unterhaltsberechtigten bis 1996 Leistungen nach dem BSHG erhielten. Die Gläubigerin beantragte wegen der auf sie nach § 91 Abs. 3 BSHG übergegangenen Unterhaltsansprüche zunächst einen Vollstreckungsbescheid und erhielt nach dem Einspruch des Schuldners ein Urteil über rückständigen Unterhalt von insgesamt 6.648 DM. Gleichwohl zahlte er nicht.
Hinweis
Der Fall betrifft die Rückforderung der in Vorleistung getretenen Sozialhilfebehörde. Die hierin entwickelten Grundsätze gelten aber in gleicher Weise für jeden anderen Unterhaltsgläubiger, der rückständigen Unterhalt als Insolvenzforderung anmeldet.
Strafrechtliche Verurteilung folgt
Der Schuldner zahlte keinen Unterhalt und wurde wegen einer vorsätzlichen Verletzung seiner Unterhaltspflicht gegenüber seinen beiden Kindern von Juni 1995 bis Januar 1999 gemäß § 170b StGB a.F. verwarnt. Das Strafgericht behielt sich eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 60 DM vor.
Und danach die Verbraucherinsolvenz
2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Die Gläubigerin meldete eine Forderung in Höhe von 14.445,97 EUR für Unterhaltsrückstände aus der Zeit vom 1.6.1994 bis zum 31.7.1996 zur Insolvenztabelle an und gab dabei an, dass es sich um eine Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung handele. Die Forderung wurde in voller Höhe zur Tabelle festgestellt; der Schuldner widersprach jedoch der Eigenschaft als Forderung aus unerlaubter Handlung.
Qualifizierte Anmeldung wird zurückgewiesen
Das AG hat die Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung festgestellt und den Verjährungseinwand des Schuldners zurückgewiesen. Anders das OLG, das die Feststellungsklage zurückgewiesen hat.
2 II. Aus den Entscheidungsgründen/Praxistipp
Verjährungseinwand war nach dem BGH möglich
Das Feststellungsbegehren ist unbegründet, weil – wie der Schuldner mit Recht einwendet – mögliche Ansprüche der Antragstellerin aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung hinsichtlich der Unterhaltsrückstände aus der Zeit vom 1.6.1994 bis 31.7.1996 verjährt sind. Der nur gegen die Feststellung, dass die Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung stamme, gerichtete Widerspruch des Schuldners ist zulässig.
Materielles Recht entscheidet
Das Feststellungsbegehren hat nur Erfolg, wenn und soweit der Gläubigerin ein durchsetzbarer – insbesondere unverjährter – materiell-rechtlicher Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zusteht. Hierzu genügt es nicht, dass der Antragsgegner der zur Tabelle angemeldeten Forderung als solcher nicht widersprochen hat.
Hinweis
Es konnte im konkreten Fall dahinstehen, ob der Gläubigerin Ansprüche aus rückständigem gesetzlichem Unterhalt zustehen, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat (§ 302 Nr. 1 InsO n.F.), denn angemeldet war die Forderung nur (auch) aus vorsätzlich unerlaubter Handlung. Allein hierauf bezieht sich das Feststellungsbegehren. Vor dem 1.7.2014 waren Unterhaltsforderungen allerdings noch nicht privilegiert, so dass dem Gläubiger nichts vorzuwerfen ist. Heute müsste der Gläubiger die Forderung (auch) aus beiden Rechtsgründen anmelden.
Musterformulierung
… Des Weiteren wird die vorgenannte Forderung auch als
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Verbindlichkeit aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung sowie als |
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Verbindlichkeit aus rückständigem gesetzlichem Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, |
angemeldet.
Die vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung ergibt sich aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 170 StGB. Dass sich der Schuldner seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht entzogen hat, so dass der Lebensbedarf der Unterhaltsberechtigten gefährdet wurde oder ohne die Hilfe anderer gefährdet worden wäre, ist durch das in der Anlage beigefügte Strafurteil belegt. Die darin niedergelegte Handlung begründet in gleicher Weise, dass die angemeldete Verbindlichkeit aus...