Einführung
Reform verlangt jetzt schon Vorarbeiten
Mit dem nachfolgenden Beitrag setzt die FoVo ihre Berichterstattung über die zum 1.1.2013 in Kraft tretende Reform der Sachaufklärung fort. Wie die bisherigen Beiträge (s.u. im Rückblick) gezeigt haben, verlangt die Reform schon jetzt erhebliche Vorarbeiten, damit tatsächlich zum 1.1.2013 mit der Umsetzung des neuen Rechtes begonnen werden kann. Im Mittelpunkt der Reform stehen die neuen Regelbefugnisse des Gerichtsvollziehers, die beliebig miteinander kombiniert werden können. Sie werden nachfolgend im Überblick vorgestellt. In den nächsten Ausgaben werden dann die Details zu den einzelnen Regelbefugnissen aufgearbeitet.
I. Die Grundsätze der Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher
Gerichtsvollzieher als Dienstleister des Gläubigers
Als ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung und damit zugleich als Grundsatz für die Arbeitsweise des Gerichtsvollziehers wird postuliert, dass er die Zwangsvollstreckung zügig zu betreiben hat, seine Tätigkeit auf die vollständige Befriedigung des Gläubigers ausrichten muss und zugleich im Sinne von Schuldner wie Gläubiger kostensparend tätig wird. Mit dieser Verpflichtung bringt der Gesetzgeber stärker als bisher zum Ausdruck, dass der Gerichtsvollzieher als Dienstleister des Gläubigers tätig wird.
Im Wortlaut: § 802a ZPO n.F.
Grundsätze der Vollstreckung; Regelbefugnisse des Gerichtsvollziehers
(1) Der Gerichtsvollzieher wirkt auf eine zügige, vollständige und kostensparende Beitreibung von Geldforderungen hin.
(2) …
Verfassungsrechtlich gesicherter Vollstreckungsanspruch
Die Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Anspruch auf eine effektive Zwangsvollstreckung durch Art. 14 GG gewährleistet wird. Allein aus dieser Gewährleistungsgarantie lässt sich das staatliche Gewaltmonopol rechtfertigen. Neben dieser rein rechtlichen Position erfährt das staatliche Gewaltmonopol aber auch rein tatsächlich nur dann Akzeptanz, wenn der Staat die notwendigen Instrumente zur Verfügung stellt, um eine berechtigte Forderung auch tatsächlich beitreiben zu können.
Hinweis
Eine andere Praxis birgt die Gefahr in sich, dass es im Rechtsverkehr für einen bereits als zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig aufgefallenen Schuldner aufgrund verschärfter Bonitätskontrollen vor Vertragsabschluss immer schwieriger wird, Leistungen ohne Vorkasse oder überhaupt zu bekommen. Auch besteht die Gefahr, dass einzelne Gläubiger andere Methoden außerhalb des staatlichen Vollstreckungssystems zur Beitreibung von Forderungen einsetzen.
Programmsatz oder Amtspflicht?
Nach der Gesetzesbegründung soll es sich bei § 802a Abs. 1 ZPO um eine programmatische Leitlinie bzw. einen Maßstab für die Rechtsanwendung ohne Ableitung konkreter Rechtsfolgen handeln (BT-Drucks 16/10069, S. 24). Das wird sich in dieser Form rechtlich aber nicht halten lassen. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 802a Abs. 1 ZPO gesetzliche Amtspflichten des Gerichtsvollziehers postuliert (so wohl auch Musielak-Voit, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 802a Rn 1), so dass sich die hierfür geltenden Rechtsregeln aktivieren:
Verletzt der Gerichtsvollzieher die ihm auferlegten Amtspflichten, so setzt er sich der Gefahr der Amtshaftung nach § 839 BGB aus. Über Art. 34 GG haftet dabei primär das Bundesland, das den Gerichtsvollzieher beschäftigt. Nach den jeweiligen Landesgesetzen hat es die Möglichkeit des Regresses gegen den Gerichtsvollzieher.
Auch wenn kein Schaden entstanden ist, muss der Gerichtsvollzieher für eine falsche Sachbehandlung kostenrechtlich nach § 7 GvKostG einstehen und die Kosten für eine Wiederholung der Maßnahme oder die unberechtigt verursachten Mehrkosten selbst tragen.
Besonders wichtig wegen anstehender Kostensteigerungen
Angesichts der mit dem 2. KostRModG (vgl. Goebel, FoVo 2012, 21–26) verbundenen Kostensteigerungen wird der Gläubiger vor allem auf eine kostensparende Durchführung achten müssen. Eine kostensparende Zwangsvollstreckung setzt ein effizientes Vorgehen unter Vermeidung jeglichen überflüssigen Aufwandes voraus.
Beispiel
Kostensparende Ansätze zeigen sich in ganz unterschiedlichen Bereichen: Soweit der Gerichtsvollzieher beispielsweise im Auftrage des Gläubigers eine Parteizustellung vornimmt, wird er diese grundsätzlich durch Aufgabe zur Post auszuführen haben, da dies nach Nrn. 101, 701 KVGvKostG stets kostengünstiger ist.
Checkliste: Parteizustellungen im Auftrage des Gläubigers
Als Beispiele für die Zustellung von Willenserklärungen auf Betreiben des Gläubigers sind zu nennen:
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die Zustellung von Willenserklärungen, § 132 BGB; |
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die Zustellung von Vollstreckungstiteln; |
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die Zustellung von vollstreckbaren Urkunden, § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO; |
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die Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen an den Drittschuldner, § 829 Abs. 3 ZPO, sowie an den Schuldner, § 829 Abs. 2 Satz 1 ZPO, oder |
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die Zustellung von Vorpfändungen nach § 845. |
Weisungen des Gläubigers ist Rechnung zu tragen
Entsprechenden Weisungen des Gläubigers hat er Rechnung zu tragen (LG Cottbus v. 11.5.2010, 7 T 6/10; AG Neuruppin v. 22.10.2010, 3133 E 11/10; LG Dresden v. 10.10.2007, 3 T 501/07...