Leitsatz
Hat sich der Grundstückseigentümer in einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung in der Weise unterworfen, dass die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zulässig sein soll, kann gegen den Berechtigten eines im Rang nach der Grundschuld in das Grundbuch eingetragenen Nießbrauchs eine die eingeschränkte Rechtsnachfolge ausweisende Vollstreckungsklausel erteilt werden (titelerweiternde Klausel). Die mit ihr versehene Urkunde ist ein für die unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung ausreichender Vollstreckungstitel.
BGH, Beschl. v. 26.3.2014 – V ZB 140/13
1 I. Der Fall
Grundschuld gegen den jeweiligen Eigentümer
Die Schuldnerin ist Eigentümerin verschiedener Grundstücke. Diese sind mit einer 1990 eingetragenen Gesamtgrundschuld über 100.000 DM und mit einer im Jahr 1995 eingetragenen Gesamtgrundschuld über 1.000.000 DM belastet. In den Eintragungsvermerken heißt es: "Vollstreckbar nach § 800 ZPO". Inhaberin der Grundschulden ist nunmehr die Gläubigerin. Im Jahr 2002 wurde zugunsten der Nießbrauchsberechtigten ein Nießbrauch in die Grundbücher eingetragen. Die Gläubigerin erwirkte die Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen der Grundschuldbestellungsurkunden mit Rechtsnachfolgeklauseln auch gegen die Nießbrauchsberechtigte.
Vollstreckungstitel oder Rechtsnachfolgeklausel?
2010 hat das AG den Beitritt der Gläubigerin aus dem jeweils in Abteilung III Nr. 15 der Grundbücher eingetragenen Gesamtrecht zu einem damals aus dem jeweils in Abteilung III Nr. 2 eingetragenen Gesamtrecht betriebenen, später aufgehobenen Zwangsverwaltungsverfahren zugelassen. Den Antrag der Schuldnerin und der Nießbrauchsberechtigten, diesen Beschluss aufzuheben, hat das AG zurückgewiesen, während das LG ihm stattgegeben hat. In gleicher Weise wurde 2011 wegen eines Zwangsverwaltungsverfahrens verfahren. Hiergegen wendet sich die Gläubigerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde. Sie meint, nur eine Rechtsnachfolgeklausel und nicht auch einen Vollstreckungstitel auf Duldung gegen die Nießbraucherin zu benötigen.
2 II. Die Entscheidung
Verhältnis Grundschuld zum Nießbrauch
Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2003, 2164) hat der die Zwangsvollstreckung betreibende Grundschuldgläubiger für die – wie hier – unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung bei einem – ebenfalls wie hier – nachrangig eingetragenen Nießbrauch einen auf den Nießbrauchsberechtigten lautenden Duldungstitel vorzulegen. Dies ist deshalb erforderlich, weil sich der von dem Vollstreckungsgericht bestellte Zwangsverwalter den Besitz an dem der Zwangsverwaltung unterliegenden Grundstück verschaffen muss, damit er den betreibenden Gläubiger aus den Erträgnissen des Grundstücks befriedigen kann (§§ 146, 150 Abs. 2, 152 Abs. 1 ZVG), dem Nießbrauchsberechtigten jedoch ebenfalls das Besitz- und Nutzungsziehungsrecht an dem Grundstück zusteht (§§ 1030 Abs. 1, 1036 Abs. 1 BGB).
Reichweite der Unterwerfung nach § 800 Abs. 1 ZPO
Da die Zwangsvollstreckung nur gegen denjenigen betrieben werden darf, der in dem Vollstreckungstitel oder in der Vollstreckungsklausel (§ 727 ZPO) als Vollstreckungsschuldner namentlich benannt ist, und da bei der Zwangsverwaltung allein diesem die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen werden (§ 148 Abs. 2 ZVG), betrifft die in den Grundschuldbestellungsurkunden enthaltene Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§ 800 Abs. 1 ZPO) lediglich den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks, nicht jedoch einen Nießbrauchsberechtigten. Diesen kann der Zwangsverwalter nur dann aus seinem Besitz setzen und an dessen Stelle die Nutzungen ziehen, wenn die Zwangsverwaltung aufgrund eines auf die Duldung der Zwangsvollstreckung auch gegen den Nießbrauchsberechtigten gerichteten Titels angeordnet worden ist.
Prüfen: In welchem Umfang werden Rechte beeinträchtigt?
Das LG hat nicht erkannt, dass es auf der Grundlage dieser Rechtsansicht die Beitrittsanträge der Gläubigerin nicht hätte vollständig zurückweisen dürfen, sondern ihnen insoweit hätte stattgeben müssen, als die Rechte der Nießbrauchsberechtigten durch die Zwangsverwaltung nicht beeinträchtigt werden dürfen (vgl. BGH NJW 2003, 2164). Zu Unrecht meint das LG, dass die auch mit Vollstreckungsklauseln gegen die Nießbrauchsberechtigte versehenen Grundschuldbestellungsurkunden keine für die unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung ausreichenden Duldungstitel seien.
Notarielle Urkunden sind auch Titel
Auf die Duldung der Zwangsvollstreckung gerichtete Titel sind nicht nur solche, welche in einem Klageverfahren ergangen sind, sondern auch notarielle Urkunden, in denen sich der Grundstückseigentümer der sofortigen Zwangsvollstreckung in der Weise unterworfen hat, dass die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zulässig sein soll (§ 794 Abs. 1 Nr. 5, § 800 ZPO). Zur Vollstreckung aus diesen Urkunden ist es notwendig, dass sie mit einer Vollstreckungsklausel (§ 725 ZPO) versehen sind und beides vor oder spätestens ...