Die Pfändungschance
Steuererstattungsansprüche sind grundsätzlich pfändbar. Im Verhältnis zu Verbrauchern sind insbesondere die Ansprüche auf Erstattung der Lohn- und Einkommensteuer sowie des Solidaritätszuschlags von Interesse.
Paradoxerweise ist gerade die Arbeitslosigkeit des Schuldners ein Ansatz, um an die Pfändung von Steuererstattungsansprüchen zu denken. Die Einkommensteuer ist nämlich eine Jahressteuer. Daraus ergibt sich – schematisch betrachtet – folgende Situation: Wenn der Schuldner im Januar des Jahres erwerbstätig ist, unterstellt der Gesetzgeber, dass das identische Gehalt in jedem weiteren Monat des Jahres auch verdient wird. Daraus berechnet man das Jahresbruttoeinkommen und daraus die Jahressteuer und den monatlichen Abschlag. Wird nun in einem oder mehreren Monaten kein Einkommen erzielt und vermindert sich so dass zu versteuernde Jahreseinkommen im Laufe des Jahres, stimmt die Gesamtrechnung nicht und es kann zu erheblichen Erstattungsbeträgen kommen.
Beispiel
Selbstverständlich sind die Erstattungsbeträge im konkreten Einzelfall zu berechnen. Die Systematik macht aber folgendes Beispiel deutlich: Bei einem Jahreseinkommen von 24.000 EUR brutto eines 25-jährigen Schuldners in der Lohnsteuerklasse I ergibt sich eine Steuer last (Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag) von 2.413,68 EUR jährlich bzw. 201,14 EUR monatlich. Wenn sich der Jahresverdienst um drei Monate auf 18.000 EUR brutto reduziert, beträgt die jährliche Steuerlast nur 975,60 EUR. Es ergibt sich also eine Differenz von 1.438,08 EUR. Unter Berücksichtigung von drei Monaten, in denen kein Einkommen erzielt und dann auch keine Steuern bezahlt wurden (201,14 EUR x 3 = 603,42 EUR), ergibt sich damit ein Erstattungsbetrag von 834,66 EUR (1.438,08 EUR – 603,42 EUR).
Kein Pfändungsschutz
Ein Steuererstattungsanspruch genießt nicht den Schutz des Arbeitseinkommens, weil es sich bei ihm nicht um Arbeitseinkommen handelt, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (Musielak/Becker, ZPO, 14. Aufl. 2017, § 829 Rn 27). Der Ertrag aus einem gepfändeten Steuererstattungsanspruch steht also ungeschmälert dem Gläubiger zu.
Hinweis
Voraussetzung ist allerdings, dass der Steuererstattungsanspruch auch an der Quelle, d.h. bei dem nach § 19 AO zuständigen Finanzamt gepfändet wurde. Wird der Erstattungsbetrag dort nicht gepfändet, sondern auf ein gepfändetes P-Konto des Schuldners überwiesen, wandelt sich wiederum der Erstattungsanspruch in einen Auszahlungsanspruch gegen das Kreditinstitut. Die Pfändbarkeit dieses Auszahlungsanspruchs richtet sich dann wiederum nach § 850k ZPO.
Besondere Regelungen der AO beachten
Gegenüber der normalen Pfändung nach den §§ 828 ff. ZPO gilt es bei der Pfändung von Steuererstattungsansprüchen einige Besonderheiten nach § 46 der Abgabenordnung (AO) zu beachten. Daraus beantwortet sich auch die Frage der Leserin.
Pfändung von Steuererstattungsansprüchen
§ 46 AO zeigt in den Abs. 5 und 6 die Sonderregelungen für die Pfändung von Steuererstattungsansprüchen auf:
Ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss oder eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung dürfen nicht erlassen werden, bevor der Anspruch entstanden ist. Ein entgegen diesem Verbot erwirkter Pfändungs- und Überweisungsbeschluss oder eine erwirkte Pfändungs- und Einziehungsverfügung sind nichtig.
Hinweis
Anders ist es, wenn die Ansprüche aus dem Arbeitgeberlohnsteuerjahresausgleich nach § 42b AO gepfändet werden. Diese Ansprüche sind schon während des laufenden Steuerjahres pfändbar. Weil es sich nicht um Arbeitseinkommen handelt, muss der Anspruch allerdings gesondert aufgeführt werden. Das amtliche Formular sieht das vor.
Bei Pfändung eines Erstattungs- oder Vergütungsanspruchs gilt die Finanzbehörde, die über den Anspruch entschieden oder zu entscheiden hat, als Drittschuldner im Sinne der §§ 829, 845 der Zivilprozessordnung.
Erlass und Pfändung am Beginn des Folgejahres
Da die Lohn- und Einkommensteuer eine Jahressteuer ist, muss sie erst entstanden sein, bevor sie gepfändet werden kann. In der Konsequenz des § 46 Abs. 5 AO kann also ein Steu ererstattungsanspruch für das laufende Jahr erst am ersten Werktag des Folgejahres, regelmäßig also erst am 2.1. gepfändet werden. Zu verwenden ist hierfür das verbindliche Formular nach der ZVFV und hier der Anspruch C auf S. 4 des Formulars.
Die praktischen Probleme
§ 829 Abs. 3 ZPO begründet, dass die Forderung mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB) an den Drittschuldner, d.h. an das Finanzamt, gepfändet wird. Nach § 46 Abs. 5 AO darf der PfÜB aber überhaupt erst am 2.1. erlassen werden. Anders als bei Ansprüchen auf Arbeitseinkommen oder auf die Auszahlung des Kontoguthabens können also künftige Ansprüche aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung nicht gepfändet werden. Das kann auch nicht durch eine entsprechende Formulierung im Antrag auf Erlass eines PfÜB umgangen werden. Auch eine Heilung des Mangels kommt wegen der in § 46 Abs. 6 S. 2 AO angeordneten Nichtigkeitsfolge nich...