Leitsatz
1. Auch beim beihilfeberechtigten Privatversicherten rechtfertigen Kosten für die medizinische Behandlung, die von der gesetzlichen Krankenkasse für den gesetzlich Versicherten und der Sozialhilfe für den Sozialhilfeberechtigten nicht übernommen würden, in der Regel keine Erhöhung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens.
2. Nimmt der pflegebedürftige Schuldner Pflegegeld nach § 37 SGB XI in Anspruch, kann sein Pfändungsfreibetrag nicht wegen der benötigten Hilfestellungen für die erforderliche Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung erhöht werden.
3. Nimmt der pflegebedürftige Schuldner Sachleistungen nach § 36 SGB XI in Anspruch, kommt eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrages in Betracht, wenn die Leistungen der Pflegeversicherung für eine erforderliche und verhältnismäßige Pflege wegen der in § 36 Abs. 3 SGB XI genannten Höchstbeträge nicht ausreichen, sofern die Sozialhilfe im Fall der Mittellosigkeit des Schuldners für die Pflegeleistungen aufkommen würde.
BGH, Beschl. v. 21.12.2017 – IX ZB 18/17
1 I. Der Fall
Schwerbehinderter SU mit verschiedenen Einkünften
Am 28.1.2016 wurde auf Eigenantrag das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Insolvenzverwalter bestellt. Der Schuldner bezieht als ehemaliger Hauptschullehrer im Landesdienst Versorgungsbezüge in steigender Höhe (von monatlich netto 2.564,60 EUR bis monatlich netto 2.702,49 EUR), von denen die Beiträge zur privaten Krankenversicherung (PKV) in Höhe von 203,71 EUR oder 208,26 EUR in Abzug zu bringen sind. Außerdem erhält er – unter Berücksichtigung von Zahlungen an die Krankenversicherung und eines Zuschusses für die Krankenversicherung – eine Altersrente in Höhe von monatlich netto 691,29 EUR bis Juni 2016 und in Höhe von 727,94 EUR ab Juli 2016. Der Schuldner ist zu 100 % schwerbehindert. Seit April 2013 besteht bei ihm eine Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe II, seit dem 1.1.2017 des Pflegegrades 4. Deswegen bezieht er ein nach § 54 Abs. 3 Nr. 3 SGB nicht pfändbares Pflegegeld nach § 37 Abs. 1 SGB XI.
Beschluss über Zusammenrechnung und Nichtberücksichtigung
Durch Beschluss ordnete das Insolvenzgericht an, dass die Versorgungsbezüge und die Altersrente zusammenzurechnen und die unpfändbaren Beträge den Versorgungsbezügen zu entnehmen seien. Der Schuldner ist geschieden und erneut verheiratet. Er schuldet seiner geschiedenen und seiner neuen Ehefrau Unterhalt. Am 24.6.2016 ordnete das Insolvenzgericht an, dass seine neue Ehefrau bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Einkommens des Schuldners unberücksichtigt bleibe.
SU begehrt Erhöhung des Pfändungsfreibetrages
Zugleich mit der Stellung des Insolvenzantrags und des Antrags auf Restschuldbefreiung hat der Schuldner die Erhöhung des pfändungsfreien Betrages um mindestens 360 EUR beantragt. Am 25.4.2016 hat er den weiteren Antrag gestellt, den pfändbaren Anteil seiner Bezüge auf null zu setzen. Durch Beschl. v. 5.8.2016 hat das AG angeordnet, dass dem Schuldner für die Dauer des Insolvenzverfahrens ein weiterer monatlicher Betrag in Höhe von 150 EUR zur Bestreitung der Mehraufwendungen verbleibe, die durch seine Schwerbehinderung und seine Erkrankungen bedingt seien, wobei es 100 EUR angesetzt hat für die Kosten eines behindertengerechten Fahrzeugs und eines Wohnwagens sowie 50 EUR für die Fahrten zu Ärzten und Therapien und ähnliches mehr. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das LG unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde angeordnet, dass dem Schuldner für die Dauer des Insolvenzverfahrens über die bereits zuerkannten 150 EUR hinaus ein weiterer Betrag in Höhe von monatlich 463,03 EUR zur Bestreitung der Mehraufwendungen verbleibe, die durch seine Schwerbehinderung und seine Erkrankungen bedingt seien. Hiergegen wendet sich der Insolvenzverwalter mit seiner vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erreichen möchte.
2 II. Aus der Entscheidung
BGH folgt der großzügigen Linie des LG nicht
Das Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht (§ 36 Abs. 4 InsO) kann dem Schuldner nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO, § 850f Abs. 1 Buchst. b ZPO auf Antrag von dem nach den Bestimmungen der §§ 850c, 850d und 850i ZPO pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens einen Teil belassen, wenn besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen dies erfordern und überwiegende Belange der Gläubiger nicht entgegenstehen. Die danach erforderliche Abwägung zwischen den Gläubiger- und Schuldnerbelangen hat das LG nicht ordnungsgemäß vorgenommen.
Nicht präzise gearbeitet
Die Entscheidung leidet schon daran, dass das LG im Entscheidungsausspruch den Pfändungsfreibetrag über die dem Schuldner bereits durch das Insolvenzgericht zugesprochene Erhöhung um 150 EUR hinaus lediglich um weitere 463,03 EUR monatlich erhöht hat, obwohl es ausweislich der Entscheidungsgründe von zu berücksichtigenden Mehrkosten in Höhe von (192 EUR + 230 EUR + 20 EUR + 83,09 EUR =) 525,09 EUR monatlich ausgegangen ist. Dem Beschluss ist nicht zu entnehm...