Leitsatz
Der Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte umfasst auch Einkünfte aus einer Untervermietung.
BGH, 23.4.2015 – VII ZB 65/12
1 I. Der Fall
Gläubiger pfändet Untermiete
Der Schuldner begehrt Vollstreckungsschutz gegen einen von der Gläubigerin erwirkten Beschluss, mit dem seine Ansprüche gegen den Drittschuldner auf Zahlung von Untermiete gepfändet und zur Einziehung überwiesen worden sind.
Schuldner lebt von Hartz IV
Der Schuldner ist nicht erwerbstätig und erhält zur Sicherung seines Lebensunterhalts Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 374 EUR zuzüglich 360 EUR für die Kosten von Unterkunft und Heizung. Er bewohnt seit 1994 eine von ihm angemietete 4-Zimmer-Wohnung, in der zunächst auch seine Schwester mit ihrem Ehemann wohnte. Nach deren Auszug überließ der Schuldner ein Zimmer zur Nutzung an den Drittschuldner, der ihm hierfür monatlich 150 EUR Miete zahlt.
Vollstreckungsschutzantrag nach § 850i ZPO
Der Schuldner beantragt, die Untermiete in Höhe von 150 EUR nach § 850i ZPO als sonstige Einkünfte von der Pfändung zu befreien.
2 II. Die Entscheidung
Mieteinkünfte fallen unter die sonstigen Einkünfte
Der Antrag des Schuldners, ihm seine Einkünfte aus der Untervermietung in Höhe von monatlich 150 EUR zu belassen, kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, sie unterfielen nicht § 850i Abs. 1 ZPO. Wie der BGH nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, erfasst der Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte nach § 850i Abs. 1 ZPO alle eigenständig erwirtschafteten Einkünfte (BGH FoVo 2014, 164). Hierfür sprechen der Wortlaut der Regelung sowie eine systematische Auslegung in Verbindung mit dem Willen des Gesetzgebers. Dies gilt auch, wenn es sich um Mieteinkünfte handelt.
Grund: Motivation, eigene Einkünfte zu erzielen
Es besteht keine Veranlassung, danach zu unterscheiden, wofür der Schuldner die Untermieteinkünfte konkret benötigt oder verwendet oder ob im Einzelfall durch einen Pfändungsschutz eine Entlastung der Sozialhilfeträger eintritt oder nicht. Der Schuldner soll allgemein motiviert werden, Einkünfte selber zu erzielen und dadurch die eigene Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Eine solche Differenzierung würde außerdem der Klarheit der Regelung entgegenstehen.
Voraussetzungen des § 850i ZPO sind zu prüfen
Von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig hat das Beschwerdegericht keine Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen des § 850i Abs. 1 ZPO getroffen. Der Beschluss ist daher im Umfang der Anfechtung aufzuheben, und die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
3 Der Praxistipp
Gleichstellung aller Einkünfte
Werden sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, gepfändet, so hat das Gericht nach § 850i Abs. 1 ZPO dem Schuldner auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, als ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Damit werden alle Einkünfte, die der Schuldner erzielt, gleichgestellt, und ihm wird daraus sein Lebensunterhalt pfandfrei gestellt.
Zusammenrechnung aller Einkünfte
Bei der Entscheidung sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners, insbesondere seine sonstigen Verdienstmöglichkeiten, frei zu würdigen. Das bedeutet, dass in der Regel alle Einkünfte des Schuldners zusammenzurechnen sind. Denn alle Einkünfte stehen auch für den Lebensunterhalt zur Verfügung.
Der Antrag des Schuldners ist insoweit abzulehnen, als überwiegende Belange des Gläubigers entgegenstehen. Das kann dann der Fall sein, wenn einerseits der Gläubiger selbst in einer Notlage ist und die Mittel zum eigenen Lebensunterhalt bedarf oder es sich um privilegierte Forderungen handelt, d.h. Unterhaltsansprüche (§ 850d ZPO) oder Ansprüche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung.
FoVo 8/2015, S. 155 - 156